Totenkopf-TV
trug es diesmal nicht schulterlang, sondern hochgesteckt, wobei ein paar vorwitzige Strähnen in die Stirn fielen und an den Seiten auch über den Ohren hingen.
Da ich sehr genau hinblickte, fiel mir auf, dass Ellen Page an diesem Abend stärker geschminkt war als sonst. Auch zeigten die Augen einen irgendwie traurigen Ausdruck. Möglicherweise gefiel mir persönlich auch ihr Kleid nicht. Die violette Farbe mit den schwarzen, auseinanderlaufenden Tupfen war eben reine Geschmackssache. Nach der üblichen Standardbegrüßung sagte Ellen die Programmfolge an. Sie sprach über den Horror-Film, machte auf anschließende Nachrichten aufmerksam sowie den Show-Block und wies auf ein Horoskop hin, das zum Abschluss des Fernsehabends noch über die Bildschirme flattern sollte.
Dann kam sie auf den Film zurück und bewies ihre dramaturgische Qualitäten, denn sie senkte die Stimme, um den Zuschauer auf den nachfolgenden Film einzustimmen. »Der Henker im Blutrausch«, sagte sie, »wird jeden Zuschauer das Fürchten lehren. Ladies and Gentlemen, wir vom TTV möchten darauf hinweisen, dass dieser Film für Minderjährige nicht geeignet ist. Ein Henker, den alle Welt längst für tot geglaubt hatte, erwacht durch die Macht des Teufels und hinterlässt eine blutige Spur. Er rächt sich an denen, die ihn einmal reingelegt haben. Und seine Rache ist fürchterlich. Dieser Mann…«
Sie redete noch weiter, mich aber interessierte das nicht, denn ich hatte etwas anderes gesehen. Hinter ihr nahm die Luft eine trübe Färbung an. Für einen Moment zuckte ein flüchtiges Lächeln über meine Lippen. Da hatten sich die Leute vom Sender etwas Originelles einfallen lassen. So etwas hatte ich noch nicht gesehen.
Der Nebel blieb hinter der Ansagerin und irritierte sie. Ellen Page brachte es nicht fertig, die letzten Sätze zu sprechen. Sie stotterte, wurde nervös, und ich sah in ihren Augen ein Gefühl der Angst. Ich setzte mich aufrecht hin, nicht mehr so entspannt. Irgend etwas stimmte dort nicht.
Der Nebel umspielte Hinterkopf und Schulterpartie der Frau. Seine Schwaden zeigten eine hellgraue Farbe. Dabei so dicht, dass ich nicht hindurchschauen konnte.
Dafür bewegte sich etwas in der Nebelwand. Es waren zwei Gegenstände, die ich hervorkommen sah. Zunächst dachte ich an irgendwelche Stangen, bis ich erkannte, dass es sich dabei um etwas anderes handelte.
Hände! Gelblich, ohne Fleisch, nur aus aneinandergesetzten Knochen bestehend. Skelettklauen!
Und die griffen zu. Sie legten sich beinahe sacht auf die Schultern der Frau, die einen Moment wie erstarrt auf dem Stuhl hockte, nicht wusste, was sie tun sollte, dann nach rechts schielte, den Blick in die andere Richtung wechselte und nun erkennen musste, was sich da auf ihren Körper gelegt hatte.
Ellen Page öffnete den Mund. Eine fast zeitlupenhafte Bewegung, die zu dem gesamten Vorgang passte, und die Angst in ihrem Gesicht war verdammt echt. War dieser Vorgang überhaupt noch als Gag des Senders zu bezeichnen?
Ich konnte es nicht glauben, auch Ellen nicht. Sie stöhnte und schrie schließlich.
Die meisten Zuschauer hielten es bestimmt für einen Gag. Ich aber sah, dass Ellen Page Todesängste durchlitt. Die Knochenklauen hatten sich von ihrer Schulter gelöst und waren auf ihren Hals zugewandert, um die Haut dort mit den kalten Fingerspitzen zu berühren. Beinahe streichelnd fuhren sie daran in die Höhe, und die Frau erschauderte unter der Berührung. Eine Gänsehaut rann über ihr Gesicht. Steif blieb sie sitzen. Es war ihr anzusehen, wie gern sie geflohen wäre, nur brachte sie das leider nicht fertig.
Die Klauen fanden ihr Ziel. Um eine Idee wanderten sie höher, umfassten den Hals, und ihre knochigen Spitzen berührten sich plötzlich unter dem Kinn der Frau.
Jetzt saß die Klammer fest. Und sie wurde zugedrückt. Ich wollte es nicht glauben, weil es der reine Wahnsinn war. Vor den Augen zahlreicher Fernsehzuschauer wurde die Ansagerin allmählich erwürgt.
Sie stemmte sich gegen den Griff der Hände an. Dabei suchte sie zusätzlich einen Halt und umklammerte den vor ihr stehenden Tisch, auf dem die Unterlagen allmählich zur Seite rutschten und sich auch Ellen Page nicht mehr halten konnte.
Sie kippte zur Seite weg.
Ich sprang auf. »Verdammt!« keuchte ich. »Weshalb hilft ihr denn niemand?«
Niemand kam. Der Nebel war geblieben, und ich sah nur die verdammten Knochenhände aus ihm hervordringen.
Und sie waren stark. Sogar so stark, dass sie Ellen keine Chance
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