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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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geschluckt. Aber – nein, mon cher . Frau Aschenbach ist natürlich keine Diebin.«
    Die Frau tötete vielleicht, hieß das wohl, aber sie stahl nicht. Immerhin etwas. »Das Buch fehlt Ihnen nicht?«
    »Doch. Aber ich habe es ihr selbst gegeben.«
    »Was?« Ein heißer Julimorgen. Henri, der einen Stapel Bücher über den Schlossplatz zum Auto trägt. Die Aschenbach, nur eine Sonnenbrille in der Hand. Natürlich. Wo hätte sie ein gestohlenes Buch verstecken sollen? »Ich bin so blöd.«
    »Das dürfen Sie nicht sagen, cher .« Henri warf einen Blick auf seine Stahlarmbanduhr. »Wir haben gespielt, und Sie haben verloren.« Die Zeit, die er Bosch bereit war zu opfern, ging offenbar zu Ende. Henri griff sich eine Handvoll Papier und klopfte sie zu einem Stapel zusammen. »Was die Aschenbach angeht – sie hat anscheinend in ihrem Garten Blumen gepflückt. Fingerhut. Das Gift sitzt in den wolligen schwarzen Fasern auf den Stängeln.« Er zuckte mit den Schultern. »Sie hat ein wenig von dem Zeug in den Mund gekriegt, ist ohnmächtig geworden und ins Wasser gefallen. Und wäre fast ertrunken.« Er grinste. »Dankenswerterweise haben Sie sie gerettet.«
    Fingerhut. Digitalis. Wollige schwarze Fasern auf einem blutigen Stück Fleisch. Sein Hund, den er mit Herzrasen in die Tierklinik gebracht hatte. Frau Aschenbach hatte den Mord an ihrem Mann schon sorgfältig geplant gehabt. Nur Henri hatte sie an der Ausführung gehindert. »Sie sind ihr zuvorgekommen. Warum haben Sie sie nicht einfach gewähren lassen?«
    »Das war ursprünglich meine Absicht.« Henri nickte. »Wir hatten uns die Bücher angesehen, bevor Madame Aschenbach sich für das eine oder andere entschieden hat. Dabei sind wir auf den Fingerhut gestoßen. Ich habe ihr gesagt, wie giftig dieses Gewächs ist und dass sie es nicht anpflanzen sollte. Trotzdem wollte sie das Buch unbedingt mitnehmen. Und als mir die Geiersberger von der Affäre ihrer Enkelin erzählt hat, habe ich eins und eins zusammengezählt. Frau Aschenbach wollte einer Scheidung zuvorkommen und ihren Mann ins Jenseits befördern. Aber konnte ich sicher sein? Natürlich ist Giftmord eine weibliche Angelegenheit – trotzdem, so leicht ist ein Mord auch nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Dann hat sich meine Bank bei mir gemeldet und mir gedroht, alle Kredite fällig zu stellen. Mir blieb plötzlich keine Zeit mehr. Das Gartenfest war vielleicht meine einzige Chance. Verstehen Sie?«
    »Dann war das auch Ihre Voodoopuppe«, entfuhr es Bosch. Er hätte früher darauf kommen müssen. Nur Henri hatte in seiner Umgebung Kenntnisse in Völkerkunde. Er hatte auch noch erwähnt, dass er diese Puppen aus New Orleans kannte. »Mardi Gras, was?« Henri musste über seine Dummheit sehr gelacht haben. Bosch spürte heiße Wut in sich aufsteigen.
    Henri strahlte tatsächlich. »Geben Sie zu, Sie haben an die Geiersberger gedacht.« Er beugte sich vor und fixierte Bosch mit seinen Amphibienaugen. »Es musste noch einen zweiten Verdächtigen geben. Ich wusste, dann würden Sie die Spur aufnehmen und ganz von selbst auf die Aschenbach schließen.«
    »Allerdings«, sagte Bosch. »Und den Autositz von Frau Aschenbach haben Sie auch zerstochen, nehme ich an. Wollten Sie sie zunächst vertreiben?«
    Henri ließ sich zurücksinken. »Nein, das war ich nicht.« Er hob die Achseln, doch seine Stimme war ruhig und bestimmt. »Aschenbach musste noch andere Feinde gehabt haben. Kein Wunder.«
    Das Bauernhaus verfügte über eine Alarmanlage und war voller Sicherheitstechnik. Aschenbachs hatten Angst gehabt. Und der schwarze Porsche war seit gestern nicht mehr bewegt worden. Wo, um Gottes willen, war seine Nachbarin? Das Maul des Geparden vor Henris Schreibtisch war weit aufgerissen. Seine Fangzähne schimmerten im verlöschenden Kaminfeuer. Noch im Tod sah die Raubkatze gefährlich aus. »Frau Aschenbach ist verschwunden.« Er warf Henri einen scharfen Blick zu. »Haben Sie eine Vermutung, wo sie sein könnte?«
    Henri rutschte ein wenig auf seinem Stuhl hin und her, gab aber keine Antwort. Seine Miene war verkniffen und konzentriert, und seine Lippen bewegten sich, als ginge er all die furchtbaren Dinge durch, die der Vermissten zugestoßen sein könnten. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Sie macht sicher nur einen Spaziergang.«
    »Seit gestern?«
    »Oder sie ist nach Salzburg gefahren.«
    »Ihr Auto steht vor der Tür.«
    Henri hob die Schultern. Er war offenbar am Ende seiner Weisheit. »Madame scheint mir

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