Totenmahl - Totenmahl - Death Dance
Fischerdorfs entluden Trawler ihren Fang, während die älteren Herrschaften auf den Holzbänken am Wasser saßen, um das Treiben zu beobachten.
Betsy Larsen war in der Küche, wo sie Hummer kochte und Sushi zubereitete, und ihre Schwester Kris stand hinter der Theke. Da es zwanzig Minuten dauern würde, bis unser Essen fertig war, bestellten Joan und ich je ein Dutzend Austern und aßen sie auf dem Anlegesteg in der Bucht.
Zu Hause parkte ich vor der Scheune und holte Joans Tasche aus dem Kofferraum.
Sie war bereits an der Tür und hielt einen Umschlag in der Hand, den jemand zwischen dem Fliegengitter und dem Türrahmen festgeklemmt hatte. »Ist das von dir?«
»Was?«
»Dieser Brief ist an mich adressiert«, sagte Joan und riss den Umschlag auf.
Ich kam näher und bemerkte, dass neben den Steinstufen vier unterschiedlich große Kinderplastikeimer standen, mit je einem Osterglockenstrauß.
»›Für Joan‹«, las sie vor. »›Ich hoffe, Sie und die Kinder bald zu sehen. Dan Bolin.‹ Was soll das, Alex? Ich kenne niemanden namens Dan Bolin. Weißt du, was das zu bedeuten hat?«
30
»Ich finde es romantisch.«
»Ich kriege davon eine Gänsehaut. Ich finde es eher gruselig als romantisch.«
»Das hast du davon, dass du den Kerl angelogen hast. Und dass du ihm meinen Namen gegeben und mir vier kleine Monster angedichtet hast. Ich hätte ihn fast eingeladen, morgen Abend mit uns essen zu gehen.«
»Verschon mich.« Während die Temptations »I Can’t Get Next to You« sangen, legte ich zwei Holzscheite ins Feuer und entkorkte die zweite Flasche Wein. »Ich finde sein Verhalten seltsam.«
»Das ist es, was uns voneinander unterscheidet. Du siehst überall Perverse und Verrückte, wo ich ein sexy Abenteuer wittere.«
»Sexy?«
»Also, ich finde es sehr sexy. Gib’s zu. Er ist extra von Edgartown hierher gefahren, um dir Blumen zu bringen. Hast du vergessen, wie es sich anfühlt, wenn einem ein Mann den Hof macht? Noch dazu, wenn er dabei so kreativ vorgeht?«
Joan hatte vor dem Essen die Nummer angerufen, die Bolin hinterlassen hatte. Er hatte von Anfang an gewusst, wer ich war, da mein Bild nach der Verhaftung des Seidenstrumpfvergewaltigers vor einigen Monaten in den Zeitungen und im Fernsehen erschienen war. Er hatte gewusst, dass ich ihm nicht die Wahrheit sagte, und beschlossen, das Spiel mitzuspielen.
»In meinem Job nennt man das Stalking. Jetzt werde ich die ganze Nacht nicht schlafen können, weil ich Schuldgefühle habe und Angst, dass er dich im Telefonbuch von Washington ausfindig macht.«
»Du machst deinen Job schon zu lange.«
»Woher wusste er, wo ich wohne? Ich stehe nicht im Telefonbuch.«
»Die Inselbewohner sind freundliche Leute. Er sagte dem Jungen an der Tankstelle in Menemsha, dass er vergessen hätte, welche deine Einfahrt sei, und sie haben ihm nur allzu bereitwillig Auskunft erteilt.«
»Und was hast du zu ihm gesagt?«
»Dass wir dieses Wochenende ein volles Haus haben. Ich habe ihm versprochen, dir seine Nummer zu geben, und ihm gesagt, dass du ihn vielleicht das nächste Mal anrufst, wenn du wieder hier bist. Eigentlich geht mir das total gegen den Strich, Alex. Ich würde ihn mir viel lieber ansehen.«
»Du weißt nicht, wer er ist, was er beruflich macht oder ob er -«
»Du hast selbst gesagt, dass er ein sympathisches Gesicht hat - intelligent und feinfühlig.«
»Das hatte Ted Bundy auch. Du gehst jetzt besser mit deinem Schlummertrunk ins Bett, bevor du auf noch mehr dumme Gedanken kommst.«
Joan schlief noch, als ich mich am Samstagvormittag mit meinem Kaffee auf die Veranda setzte, um ihr neues Romanmanuskript zu lesen, eine äußerst scharfsinnige Geschichte über Obsessionen und Rachgier in Southamptons Hautevolee. Es machte mir Spaß, die Leute zu identifizieren, die sie in geistreichen Dialogen und treffenden Beobachtungen aufs Korn nahm. Bis ich geduscht und mich angezogen hatte, kam Joan auch nach unten.
»Es ist toll«, sagte ich. »Du triffst das Milieu perfekt.«
»Hast du es schon zu Ende gelesen?«
»Noch nicht. Warum?«
»Weil weiter hinten noch einige Passagen über eine Testamentsänderung kommen. Ich wollte dich fragen, ob die juristischen Informationen korrekt sind.«
»Du hast dich hoffentlich schon woanders beraten lassen, Joanie. Ich habe mich seit dem Studium nicht mehr mit Erbrecht beschäftigt. Das ist ein schier undurchschaubares Spezialgebiet.«
»Einer der dafür zuständigen Partner bei Milbank, Tweed hat mir geholfen. Ich
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