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Totenmahl - Totenmahl - Death Dance

Titel: Totenmahl - Totenmahl - Death Dance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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DeVore unterhielten sich, aber wir saßen zu weit weg, um es zu verstehen.
    »Also wie war das mit Evelyn Nesbit?«, fragte ich Mike.
    »Jeder wollte das Mädchen haben. John Barrymore wollte sie heiraten, aber sie ließ ihn sitzen, um Stanford Whites Geliebte zu werden.«
    »Hat er sie geheiratet?«
    »Er hatte bereits eine Frau und einen Haufen Kinder. Aber er hatte auch eine fantastische Wohnung über dem Madison Square Garden - eine Maisonettewohnung, genau wie Joe Berk. Im oberen Stockwerk hatte White eine rote Samtschaukel am Rahmen des Dachfensters anbringen lassen. Man sagte, dass er den Mädchen Champagner gab, sie auszog und ihnen dabei zusah, wie sie nackt hin- und herschaukelten. Das war sein Ding.«
    Ein junger Mann mit einem Skript in der Hand kam von links auf die Bühne. Er trug eine Khakihose und hatte die Hemdsärmel hochgerollt, und Mona rief ihm zu, näher an Lucy ranzugehen. »Harry, stell dich direkt neben sie. Dann wirkt es bedrohlicher, wenn du dich darüber aufregst, was sie sagt.«
    »Harry Thaw«, sagte Mike. »Ein Millionärssöhnchen aus Pittsburgh, den Evelyn geheiratet hat. Total durchgeknallt.«
    »Wusste er von Stanford White?«
    »Anfangs nicht. Er wusste, dass White auf junge Revuetänzerinnen - vorzugsweise Blondinen - stand, aber Evelyn behauptete, sie sei noch Jungfrau.«
    »Thaw fand vermutlich heraus, dass das nicht stimmte?«
    »Eine Zeitung veröffentlichte ein Foto von Evelyn. Es zeigte sie der Länge nach ausgestreckt auf einem Bärenfell in Whites Wohnung, und es sah aus, als würde sie schlafen. Ihre langen, platinblonden Haare waren das Einzige, was ihren Körper bedeckte.«
    Mona Berk rief Lucy DeVore Anweisungen zu.
    Lucy begann zu winseln, als sie erzählte, wie sie von Stanford White defloriert wurde. »Ich wollte es nicht, Harry. Wirklich! Ich wollte den Champagner nicht trinken, aber Stan - aber Mr White hat mich dazu gezwungen.«
    »Wie oft hast du diese Entschuldigung schon gehört, Coop? Wie zwingt man jemanden dazu, Champagner zu trinken? Nimmt man sie in den Schwitzkasten und kippt ihr das Zeug die Kehle hinunter? Ich kapier’s nicht.«
    Harry Thaw kaufte Lucy ihre Geschichte ebenfalls nicht ab. Er tobte und schimpfte und hob die Hand, als wolle er seine junge Braut schlagen.
    »Er hat mich betäubt, Harry. Er muss mir etwas in den Drink getan haben, um mich bewusstlos zu machen. Du weißt, dass ich nicht freiwillig mit so einem alten Mann geschlafen hätte.«
    »Vergewaltigung unter Einsatz von Betäubungsmitteln«, sagte Mike. »Vor hundert Jahren.«
    »Und eine Falschanzeige. Mercer hätte sie gleich beim ersten Interview geknackt.«
    Lucy DeVore schilderte in Tränen aufgelöst, wie sie, nackt und hilflos, in Whites Bett aufwachte, und wie er sie ohne ihre Einwilligung missbrauchte. Thaw nahm sie in die Arme und stimmte ein Solo über ihre geraubte Unschuld an. Diesen Song würde in der Premierennacht niemand beim Verlassen des Theaters vor sich hin summen.
    Ross Kehoe kam wieder auf die Bühne, legte seinen Arm um Lucy und verschwand mit ihr auf der rechten Bühnenseite.
    Ein paar Revuetänzerinnen, ebenso gut gebaut wie Lucy DeVore, kamen in schwarzen Trikots, die ihre blonden Locken und hochhackigen Schnürschuhe zur Geltung brachten, auf die Bühne und demonstrierten bei den Dehn- und Aufwärmübungen ihr Können, während der Pianist einen Ragtime in die Tasten schlug.
    Mona wandte sich an die versammelten Sponsoren. »Das ist die große Szene auf dem Dach des Madison Square Garden. Der Höhepunkt des ersten Akts - danach kommt eine Pause. Wir befinden uns in einer heißen Sommernacht des Jahres 1906. Ein elegant gekleideter Gentleman sitzt allein an einem Tisch, so nah wie möglich an den Tänzerinnen. Das ist Stanford White.«
    Ein gut aussehender Mann, der vermutlich mit Hilfe einer feinen Schicht Puder ergraut war, schob einen kleinen Tisch auf die Bühne. Er stellte einen Stuhl daneben und setzte sich.
    Der Pianist beschleunigte das Tempo, und die Mädchen gaben eine Tanzeinlage zum Besten, die Stanford White begeistert verfolgte; er applaudierte fanatisch und rief sie immer wieder bei ihren Namen.
    Hinter einer Falte des burgunderroten Vorhangs links von der Bühne kam Harry Thaw zum Vorschein und tat so, als würde er sich einen Weg durch ein voll besetztes Lokal bahnen. Man konnte kaum den Blick von den Tänzerinnen abwenden, deren Bewegungen perfekt aufeinander abgestimmt waren, während sich Thaw zwischen ihnen hindurch auf die andere Seite

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