Totenmahl - Totenmahl - Death Dance
der Bühne schlängelte.
Als die Musik verstummte und sich eines der Mädchen zu Stanford Whites Entzücken auf seinem Schoß niederließ, hallte ein Schuss durch das Theater. Harry Thaw hatte sich von hinten angeschlichen und White in den Rücken geschossen. Die Tänzerinnen kreischten, und White fiel mitsamt dem Revuegirl vom Stuhl, während die Bühne in eine dichte Rauchwolke eingehüllt war.
Als der Schuss fiel, hatte ich Mikes Arm gepackt.
»Entspann dich, Kid. Das ist damals wirklich so passiert.«
Der Rauch verflüchtigte sich, während die Musik in eine leise Ballade überging. Thaw und White nahmen Tisch und Stuhl und folgten den Mädchen von der Bühne.
Von ganz oben, gegen den abgedunkelten Hintergrund, wurde ein kleiner Scheinwerfer auf ein Paar perfekt geformte, lange, schlanke Beine gerichtet, die hoch über der Bühne hin- und herbaumelten. Während die Musik lauter wurde, rief eine Stimme in der ersten Reihe - wahrscheinlich Mona Berk: »Los!«
Die Beine bewegten sich wie die eines Kindes auf einer Schaukel. Kurz darauf erschien Lucy DeVore - ihre äußerst platinblonden Haare hingen herunter, während sie sich in ihrem champagnerfarbenen Teddy unter dem Licht des Scheinwerfers, der ihren Bewegungen folgte, von einer Seite zur anderen schwingen ließ. Die Schaukel wurde mit einer sanften Pendelbewegung langsam nach unten gelassen, und der Ragtime-Rhythmus wurde schneller.
Lucy drehte ihren Kopf zu den Zuschauern tief unter ihr und begann mit den ersten Versen ihrer Darbietung. Sie holte noch einmal Schwung, bevor sie wieder aus dem Blickfeld verschwand und kaum noch zu hören war; ihr Gesang war längst nicht so wichtig wie das beeindruckende Bild, das sie bot.
Als sie wieder zur rechten Bühnenseite zurückschaukelte, hörte man es plötzlich knacken. Der Sitz der Schaukel kippte vornüber, und Lucys Schrei gellte durch den Raum bis zur letzten Reihe des Theaters. Sie versuchte verzweifelt, sich an den Seilen festzuhalten, und stürzte dann auf die Bühne.
18
Mike rannte die schmale Treppe vom Balkon hinab und sprang über das Geländer in eine der seitlichen Logen über dem Parkett. Von dort kletterte er in die nächste Loge und dann über die Metallleiter an der Seite des Proszeniumbogens hinab auf die Bühne. Er war nur wenige Sekunden nach Mona Berk, Ross Kehoe und den anderen, die sich um den reglosen Körper der jungen Frau scharten, auf der Bühne.
Ich hatte mein Handy aufgeklappt, um einen Krankenwagen und die Polizei zu rufen, während ich den herkömmlichen Weg über die Treppe hinunter in den Zuschauerraum nahm.
Auch wenn die anderen von Mike Chapmans Anwesenheit überrascht waren, so schätzten sie seine Kontrolle der Situation. »Zurück. Alle zurück!«, hörte ich ihn rufen. »Macht Platz, damit sie atmen kann.«
»Rufen Sie Hilfe«, hörte ich Mona Berk sagen.
»Ein Krankenwagen ist bereits unterwegs.«
Mike sah mich näher kommen. »Coop, komm hier herauf! Alle anderen zur Seite. Sie lebt. Sie atmet. Coop, sorg dafür, dass ihr keiner zu nahe kommt. Sie braucht Luft. Sie da - egal wer«, Mike deutete auf eine kleine Gruppe Schauspieler. »Gehen Sie ins Foyer, und warten Sie auf die Sanitäter.«
Ich kniete mich neben Mike auf den Boden. »Kannst du erkennen, was für Verletzungen sie hat?«
»Offensichtlich sind die Beine gebrochen.« Er zeigte auf eine Stelle, wo der Knochen durch die Haut ragte. »Keine Ahnung, ob sie eine Hals- oder Wirbelsäulenverletzung hat. Ich will sie nicht anfassen, bevor die Sanitäter hier sind. Sie hat die Augen noch nicht wieder geöffnet. Bleib einfach bei ihr, während ich mich umsehe.«
Mike wandte sich an Mona Berk. »Wer ist dort oben für die Schaukel zuständig?«
Sie zeigte auf Ross Kehoe. »Die Schnürbodenarbeiter«, antwortete er. »Sie sind zu zweit.«
»Niemand darf das Theater verlassen. Ich will eine Liste von allen, die heute hier arbeiten«, sagte Mike und verschwand in der Seitenkulisse, um zur Schnürbodengalerie hinaufzugehen.
Ich saß auf der Bühne neben Lucy DeVore und versuchte, ihren schwachen Puls zu finden. Ich streichelte ihren Arm und sagte ihr, dass alles gut werden würde. Da sie zum Glück nicht wie Talja kopfüber nach unten gestürzt war, versuchte ich, optimistisch zu sein und zu glauben, dass die Verletzungen nicht tödlich waren.
Mike war hinter der Bühne verschwunden. Die anderen standen jetzt in kleinen Grüppchen beisammen. Mona, die bei Ross Kehoe und Rinaldo Vicci stand, telefonierte mit
Weitere Kostenlose Bücher