Totenmesse - Patterson, J: Totenmesse - Step on a Crack
einer Kirche und in Seinen Händen«, tröstete Eugena sie. Stolz erfüllte sie, als sie spürte, welche Stärke und welchen Glauben ihre Stimme ausstrahlten.
Sie würde die Sache wirklich überstehen. Das würden sie alle. Irgendwie.
»Alles wird gut«, fuhr sie fort. »Ihnen wird es gut gehen, Laura. Und das hier ist alles bald zu Ende.«
»Ja, aber wird dann noch einer von uns leben?«
32
Laura Winston hatte den größten Teil ihrer Tränen mit einem schicken, roten Seidenschal getrocknet, den sie aus ihrer Jackentasche gezogen hatte, und dankte Eugena im Stillen für ihre Freundlichkeit, als vorne am Altar ein Tumult entstand.
Da stand jemand auf!
An dem Wust aus blondem Haar und dem schwarzen Mini erkannte Laura, dass es die Haute-Trash-Popsängerin Mercedes Freer war.
Der Marmor klapperte unter ihren Fünfzehn-Zentimeter-Absätzen, als sie zum rückwärtigen Teil der Kapelle stapfte.
»Hinsetzen, verdammt!«, schrie einer der Geiselnehmer.
»Könnte ich vielleicht mal mit jemandem hier quatschen, bitte? Himmel Arsch noch mal. Ich muss mit deinem Chef sprechen, wenn dir das nichts ausmacht.« Die fordernden Worte der Diva hallten von den Mauern wider. »Lass mich einfach mit jemandem reden, der hier zuständig ist!«
Laura und Eugena reckten ebenso die Hälse wie die anderen Geiseln. Was hatte diese Wahnsinnige nur vor?
Der Anführer traf einen Moment später ein. »Was soll das?«, fragte Jack. »Reden Sie mit mir. Immerhin bin ich ein Fan. Womit kann ich Ihnen helfen?«
Mercedes nahm zuerst einen, dann den anderen ihrer Diamantohrringe ab und hielt sie Jack hin.
»Die sind von Cartier«, flüsterte sie laut. »Ich habe - keine Ahnung - eine Viertel Million Dollar dafür bezahlt.
Jetzt sollte ich heute Abend bei Leno sein, und die Aufzeichnung fängt um sechs Uhr an, L.A.-Zeit, und ich bin schon zu spät. Verstehen Sie, was ich sage? Ich bin nicht politisch oder religiös oder so was. Mein Label hat dafür gesorgt, dass ich ›Ave Maria‹ singe, dann muss ich wieder weg. Bitte nehmen Sie die Dinger. Sie sind echt, und sie gehören Ihnen. Wenn das nicht reicht, lasse ich meinen Manager ans Telefon holen. Sagen Sie, was Sie wollen. Lassen Sie uns das Geschäft durchziehen, Herzchen.«
Eugena zuckte zusammen bei dem Versuch der Weißen, schnoddrig klingen zu wollen. Als Mercedes vor einem Jahr zu Gast in Eugenas Show gewesen war, hatte Eugena gelesen, dass sie in dem spießigen New Canaan in Connecticut geboren worden war. Eugena selbst hatte sich Unmengen an Büchern über Sprechtechnik aus der Bibliothek geholt, um den Klang nach Armut aus ihrer Stimme zu tilgen. Und jetzt bemühte sich Mercedes … Was war das für eine verkehrte Welt geworden!
Jack hielt die Ohrringe nach oben, als würde er sie schätzen, warf sie dann aber Mercedes einzeln ins Gesicht.
»Wie wär’s stattdessen, wenn du dich auf deinen Schlampenarsch setzt?«, fragte er langsam.
Mercedes’ Gesicht verfinsterte sich, bevor sie dem Kerl eine Ohrfeige versetzte. »Schlampen … was?«, schnauzte sie wütend. »Du weißt wohl nicht, mit wem du redest, Kleiner.«
Im selben Moment zog Jack eine Dose Pfefferspray aus seiner Jackentasche, packte Mercedes am Haar und sprühte ihr ins Gesicht. Es sah aus, als würde es glühen, als sie anfing zu brüllen.
Nachdem sie auf die Knie gesunken war, zog Jack sie in aller Ruhe am Haar über den Marmorboden bis zu einem
Beichtstuhl. Er öffnete die Tür, warf Mercedes mit einem Ruck hinein und knallte die Tür wieder zu.
»Scharfes Zeug für eine scharfe Tussi«, sagte er zu den anderen Geiseln, die mit weit aufgerissenen Augen dasaßen. »Möchte noch jemand über seine Reisepläne reden?«
Jack tappte mit der Schuhspitze auf den Boden.
»Offenbar nicht«, schloss er. »Also, Kinder, hört zu. Wir müssen Einzelverhöre durchführen, deswegen bitte ich euch, euch vor der ersten Tür rechts hinten in der Kapelle in einer Reihe aufzustellen. Sofort!«
Eugena erhob sich und wandte sich ebenso wie die anderen Geiseln duckmäuserisch nach hinten um. Als sie aus der Bank trat, hörte sie Mercedes im Beichtstuhl winseln.
Sie hatte beinahe Mitleid mit dem Mädchen, aber welchen Sinn hatte es, diese Männer gegen sich aufzubringen? Was hatte sie erwartet? Was bildete sie sich ein? Sie hatte wohl tatsächlich gedacht, der Kerl würde sie ziehen lassen! Wann hatte das letzte Mal jemand zu diesem verzogenen Gör Nein gesagt?
Als sich Eugena in die Schlange stellte, beschloss sie, dass sie
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