Totenmesse - Patterson, J: Totenmesse - Step on a Crack
Blick auf die Lady Chapel im hinteren Teil hat.«
»Zum Teil«, erwiderte der Küster mit neugierigem Zwinkern. »Aber hinter dem Altar befindet sich eine Säulenreihe und über dem Altar ein siebzehn Meter hoher bronzener Baldachin.«
»Die Kathedrale erstreckt sich der Länge nach über einen ganzen Straßenblock. Wie lang ist das - hundertfünfzig Meter?«, fragte Oakley seinen Stellvertreter. »Wir bauen unser Erkundungsgerät auf. Vielleicht Glasfaserkameras durch eins der Fenster. Infrarotbilder von den Waffen, damit wir wissen, wo sich die Verbrecher befinden. Wenn die Zeit gekommen ist, seilen wir uns am vorderen Gebäudeteil ab und jagen die Fensterrose und alle anderen Fenster gleichzeitig in die Luft.«
»Ich weiß, ich bin ein bisschen schwerhörig«, meldete sich Nardy, der Küster, wieder zu Wort. »Ich dachte tatsächlich, Sie hätten gesagt, Sie würden die wundervolle Fensterrose der St. Patrick’s Cathedral zerstören.«
»Um die Arbeit der Polizei brauchen Sie sich keine Sorgen
zu machen, Mr. Nardy«, wiegelte Oakley ab. »Menschenleben gehen vor. Wir tun das, was nötig ist.«
»Diese Fensterrose ist hundertfünfzig Jahre alt, Sir«, hielt Nardy dagegen und verschränkte seine dürren Arme. »Sie ist unersetzbar, ebenso wie die Fenster der Lady Chapel und die anderen Kunstgegenstände und Statuen in der Kathedrale. Wenn es darum ginge, ein Loch in die Freiheitsstatue zu sprengen, wären Sie nicht so schnell bei der Sache, oder? Die Kathedrale ist das Glaubenssymbol dieser Stadt, also denken Sie sich einen anderen Plan aus. Diesen hier werden Sie nur über meine Leiche umsetzen.«
»Schafft Mr. Nardy fort, bitte«, verlangte Oakley verärgert.
»Sie sollten mir lieber zuhören!«, wehrte sich Nardy, der von einem Polizisten der Sondereinheit nach draußen geführt wurde. »Sonst wende ich mich an die Presse.«
Das ist genau das, was wir brauchen, dachte ich. Noch eine Herausforderung, ein weiteres chaotisches Hindernis. Es reichte nicht, dass uns schon die Hände gebunden waren.
Oakley setzte sich seine schwarze Baseballkappe umgekehrt auf den Kopf. Er sah aus wie ein Fänger, der den Ball um Haaresbreite verpasst hatte, als er die Hände vor dem Mund wölbte und laut den Atem ausstieß.
»Gott, jetzt schaut euch dieses Ding an!«, stöhnte er. »Die Granitmauern sind wie dick? Einen halben Meter? Die Tore bestehen aus dreißig Zentimeter dicker Bronze. Ich glaube, bisher haben wir weder eine Tür von dieser Dicke noch eine aus Bronze aufgebrochen.
Zusätzlich ist das Maßwerk dieser wertvollen Fenster aus Stein. Es gibt keine angrenzenden Gebäude, von denen aus wir uns einen Zugang graben können. Diese Kathedrale
gleicht einer Festung und ist wahrscheinlich der sicherste Ort, um sich vor einer Armee zu schützen. Und wir müssen in sie eindringen, ohne sie in die Luft zu jagen oder einen Kratzer zu hinterlassen. Würde mich bitte jemand daran erinnern, warum ich diesen Beruf gewählt habe?«
»Wegen der fetten Verträge mit Turnschuhherstellern und Buchverlagen«, antwortete ich. »Genau wie alle hier.«
Der Witz war ziemlich schwach, aber unter diesen Umständen musste man kein Starkomiker sein, um ein Ventil für den wachsenden Stress zu öffnen. Jeder, einschließlich des stoischen Oakley, begann herzlich zu lachen.
Entweder lachen oder weinen. Mehr gab’s nicht.
35
Zehn Minuten später standen wir draußen in der Kälte und starrten zu der prächtigen Kirche hinauf. Während wir um eines der Container-Fahrzeuge gingen, sprach Oakley in sein Funkgerät und befahl seinen Scharfschützen, die unersetzlichen Fenster der Lady Chapel ins Visier zu nehmen.
Das graue Licht warf einen Schatten auf die oberen Fenster und die Torbögen der Kirche. Die Vorderseite sah aus wie ein großes Gesicht: große, dunkle Augen und ein sehr großer, vor Wut und Schock aufgerissener Mund.
Ich blieb abrupt stehen, und meine Hand zuckte nach meiner Waffe, als die Glocken anfingen zu läuten. Ich ging schon von einem weiteren Schachzug der Geiselnehmer aus, bis ich sah, dass es zwölf Uhr mittags war.
Das Angelusläuten, von einer Zeitschaltuhr angetrieben, rief die geschäftigen Heiden im Zentrum zu einem Gebet für irgendetwas, woran ich mich nicht erinnerte. Wenn es die Glocken auch nicht schafften, die Menge zum Rosenkranzbeten zu bewegen, so brachten sie die Polizisten, Pressevertreter und Schaulustigen zumindest zum Schweigen.
Die einzelnen Schläge hallten laut und unheilverkündend von
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