Totenmesse - Patterson, J: Totenmesse - Step on a Crack
selbst diejenige wäre, die mit den Geiselnehmern sprechen musste. Niemand hatte mehr Aussicht auf Erfolg als sie. Egal, in welcher Situation, so war es jedenfalls immer gewesen.
Sie blickte auf die golden Kerzenhalter mit den flackernden Kerzen. Vielleicht war dies der Grund, aus dem sie hier war, dachte Eugena.
Um zu versuchen, sich aus dieser Situation zu befreien.
33
Charlie Conlan wartete vor einem der mit purpurfarbenen Vorhängen blickgeschützten Beichtstühle in der Schlange, bis er mit seinem »Verhör« an der Reihe war.
Das alles wirkte etwas melodramatisch, wenn man ihn fragte, diese jämmerliche Panikmache mit den Masken und Kutten. Es schien, als wollten sich die Geiselnehmer an die gotische Stimmung dieser Kirche anpassen, den Leuten Angst einjagen, damit sie nicht zur Ruhe kamen. Trotzdem eine ziemlich intelligente Taktik, musste er zugeben.
Conlan wusste, die meisten Rocklegenden, die wie er die besten Jahre hinter sich hatten, waren sanfte Lämmer. Doch ein paar hatten ihre Geschichte. Was sie während ihrer Kindheit in den armen Straßen von Detroit nicht gelernt hatten, hatten sie während der Kriegsgefangenschaft in Vietnam nachgeholt.
Conlan richtete sich auf, als die dunkle Holztür schließlich geöffnet wurde und Marilyn Rubenstein von ihrem »Verhör« herauskam. Die junge Schauspielerin wirkte mitgenommen, ihr blondes Haar klebte verschwitzt an ihrem Kopf, ihre glasigen Augen sahen aus, als wäre sie gerade Zeugin von etwas Unglaublichem gewesen.
Sie bemerkte Conlan, der sie anstarrte. »Tun Sie, was sie sagen«, flüsterte sie ihm im Vorbeigehen zu.
»Der Nächste«, rief der Typ an der Tür gelangweilt. »Du bist gemeint, Sportskanone.«
Conlan zögerte, bevor er über die Marmorschwelle trat.
Es war kein Beichtstuhl, wie Conlan sogleich bemerkte, sondern ein Sicherheitsbüro. Ein paar Klappstühle, ein Tisch, eine Kaffeemaschine und eine Reihe Sprechfunkgeräte, die zum Aufladen auf einem Metalltisch lagen.
Am Tisch in der Mitte saß Jack, der Anführer. Er deutete auf den leeren Metallstuhl ihm gegenüber.
»Bitte, Mr. Conlan, nehmen Sie Platz. Ich bin übrigens ein großer Fan von Ihnen.«
Conlan setzte sich. »Danke.«
Auf dem Tisch lagen zwei Gegenstände: ein paar Handschellen in einer durchsichtigen Plastiktüte und eine Rolle Klebeband. Conlan betrachtete die Sachen und versuchte die in ihm aufsteigende Angst zu unterdrücken. Lass dir nichts anmerken, Charlie, sagte er sich. Gib dich verschlossen.
Jack hob das Klemmbrett von seinem Schoß. Der Kugelschreiber klickte.
»Okay, Mr. Charlie Conlan«, begann er. »Um die Sache etwas einfacher zu machen, werde ich Sie nach den Namen und Nummern Ihrer Finanzverwalter fragen müssen. Und nach den Pins und Zugangscodes und Passwörtern, die nötig sind, um Zugang zu Ihrem Vermögen zu erlangen.«
Conlan zwang sich zu lächeln, als er Jack in die Augen blickte.
»Dann geht’s nur um Geld?«, fragte er.
Jack tippte mit seinem Kugelschreiber auf das Klemmbrett und runzelte die Stirn.
»Ich habe keine Zeit für Plaudereien, Mr. Conlan«, sagte Jack. »Werden Sie kooperieren oder nicht? Die letzte Chance.«
Conlan beschloss, die Grenzen noch ein Stück auszureizen. Zu sehen, womit genau er es hier zu tun hatte.
»Lassen Sie mich eine Sekunde nachdenken.« Er rieb sein Kinn mit den Fingerspitzen. »Ach, hm. So ein Mist. Nein.«
Jack nahm langsam die Handschellen aus der Plastiktüte und erhob sich. Er trat hinter Conlan und fesselte rasch und gekonnt dessen Hände hinter dem Rücken.
Conlan biss die Zähne aufeinander und wartete auf den ersten Schlag. Er würde sich die Zähne mit der Zange ausziehen lassen. Er hoffte, das kleine Napoleonschwein hatte sein Mittagessen mitgebracht.
Aber der erste Schlag kam nicht.
Stattdessen hörte Conlan ein Rascheln - und die Plastiktüte wurde über seinen Kopf gezogen.
Klebeband ratschte, und Charlie Conlan spürte einen Druck wie von einer Schlinge um seinen Hals, als die Tüte luftdicht zugeklebt wurde. Er begann zu schwitzen. Das Plastik klebte wie Fett an seiner Haut, zerrte an seinem Mund und seinen Nasenflügeln, während er panisch nach Luft schnappte.
»Ein bisschen heiß da drin, oder, Klugscheißer?«, hörte Conlan Jacks Stimme direkt neben seinem Ohr durch die Plastiktüte hindurch.
Conlan würgte und krümmte sich. Seine Kehle brannte. O Gott, nein, nicht so.
Jack setzte sich, gähnte und legte die Beine übereinander. Nach einer Ewigkeit warf er einen Blick
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