Totenmesse - Patterson, J: Totenmesse - Step on a Crack
besten Kinder, die es gibt.«
Nachdem ich meine Eier und Pfannkuchen gegessen hatte, sprang ich widerwillig unter die Dusche und zog mich an. Das Letzte, was ich sah, nachdem ich es nach unzähligen Umarmungen bis zur Wohnungstür geschafft hatte, war Mary Catherine, die den Akku von der Videokamera lud. Wie konnte ich das, was sie getan hatte, bei ihr jemals wiedergutmachen?
Vor dem Fahrstuhl rannte ich beinahe Seamus um, der früh nach Hause gegangen war, um zu duschen und sich umzuziehen. Er war ganz in Schwarz gekleidet und hatte den Kragen fest zugeknöpft. Na, wenn der nicht fromm und gottgefällig und fesch aussah!
»Fröhliche Weihnachten«, sagte er. »Sind wir schon auf dem Weg zur Arbeit? Du hast aber einen tollen Job. Sehr familienfreundlich. Ja, wirklich.«
»Ach, du!«, tat ich seine Worte ab.
Als hätte ich Lust gehabt, zur Arbeit zu gehen! Ich lachte beinahe, als ich wieder Luft holte. Was wäre Weihnachten, ohne dass mein Großvater auf mir herumhackte.
»Hey, danke für das, was du für die Kinder getan hast, du verrückte, alte Eule.« Lächelnd hielt ich die Fahrstuhltür auf, die gerade wieder zugleiten wollte. »Ach, und dir auch eine geile Humbug-Feier.«
86
In der halbdunklen Kapelle erwachte Eugena Humphrey auf der harten Kirchenbank. Sie setzte sich auf und rieb sich über die kalten Arme. Widerwillig öffnete sie die Augen und stöhnte enttäuscht auf, als sie die vertrauten, nackten Mauern erblickte. Schließlich drehte sie den Kopf zu den Votivkerzen, die ihr in den vergangenen achtundvierzig Stunden ein Gefühl von Frieden und Hoffnung gegeben hatten.
Die Kerzen waren erloschen. Alle.
Resigniert schloss sie die Augen wieder. Sie hatte schon mehrmals richtig grausame Weihnachten erlebt. Aber das hier war schlimmer, als das eigene Geschenk zurückgeschenkt zu bekommen.
Obwohl sie wusste, wie schmerzhaft es sein würde, überlegte sie, was sie genau in diesem Moment zu Hause getan hätte.
Sie stellte sich ihren Ehemann vor, Mitchell, der das Schlafzimmer ihrer gemütlichen Penthauswohnung oberhalb der Wilshire Avenue mit einem voll beladenen Frühstückstablett betrat. Der Chefkoch und Ernährungswissenschaftler würde nämlich frei haben und auf seine Diät pfeifen. Blaubeerpfannkuchen, geräucherte Wurst, Peacanschinken, riesengroße Becher mit Kona-Kaffee. Nach dem herzhaften Frühstück kam der Austausch. Weil sie über unbegrenzte Mittel verfügten, waren im Lauf der Jahre die sehr teuren Geschenke - unglaublich, aber wahr - nun ja, sehr langweilig geworden. Sie und Mitchell hatten sich eine neue Strategie ausgedacht, die beiden Freude bereitete
und sinnvoll war. Sie durften jeweils nur hundert Dollar ausgeben, um das schönste oder sinnvollste Geschenk zu kaufen, das sie finden konnten.
Es betonte die Einfachheit. Holte sie zurück auf den Boden. Außerdem machte es Spaß.
Einmal hatte er ihr ein Dutzend perfekte, rote Rosen gekauft. Das Ergebnis war, dass sie die Blumen tatsächlich anschaute. Ihre Eleganz, ihre Fülle und die fließende Schönheit auf eine Art wahrnahm, wie sie es seit ihrem ersten Strauß nicht mehr getan hatte.
Dieses Jahr hatte sie ihm in einer Drogerie, in die sie immer heimlich ging, eine Einundzwanzig-Dollar-Armbanduhr gekauft. Im Retrodesign. Ganz einfach. Ein weißes, rundes Ziffernblatt mit eckigen, schwarzen Ziffern. Sie dachte jedenfalls, sie wäre zeitlos einfach. Die Art von Uhr, die Gott tragen würde, sofern er eine bräuchte, und auf eine untertriebene Art schien ihr diese Uhr zu zeigen, wie kostbar die Zeit, das Leben und die Liebe mit jemandem wie Mitchell war.
Eugena öffnete ihre Augen, als sich etwas Hartes hinten in ihren Hals bohrte.
»Hey, Eugena, Sie Glückliche. Der Weihnachtsmann hat Ihnen dieses Jahr einen Cheeseburger gebracht.« Little John ließ ein fettiges, in Papier gewickeltes Päckchen auf ihren Schoß fallen.
Vielleicht taten die anderen Geiselnehmer diese Sache hier für Geld, aber diesen Hurensohn mit seiner Skimaske geilte es auf, wenn er anderen wehtat, dachte Eugena, als sie ihn betrachtete. Er war derjenige, der einfach auf John Rooney zugegangen war und ihn kaltblütig erschossen hatte.
Eine Welle der Verzweiflung drohte sie mitzureißen.
Wem wollte sie eigentlich etwas vormachen? Wie sollte sie das hier die nächste Stunde durchstehen? Oder die nächste Minute?
Sie legte ihr »Weihnachtsfrühstück« auf die Bank neben sich und versuchte ihre Yoga-Übungen zu machen, um sich zu beruhigen und bessere
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