Totenmesse - Patterson, J: Totenmesse - Step on a Crack
Laune zu bekommen. Beim ersten Ausatmen ließ sie ein Knurren hören.
Nein, dachte sie und blickte sich hasserfüllt nach den Verbrechern um. Genug mit dieser Toleranz. Es war Zeit, sauer zu werden.
Aber ging es anderen Menschen nicht ständig so?, kam ihr in den Sinn. Kälte, Wut, Depressionen, Dreck, ein Mangel an ungefähr allem. So viele Menschen auf der Welt litten jeden Tag viel mehr als sie. Was durfte sie sich da beschweren?
Doch auch wenn sie prominent war - sie war immer noch ein Mensch! Und einer, der das hier nicht mehr mit sich machen ließ.
Eugena war mittlerweile klar, dass es keinen Sinn hatte, mit diesen üblen Schweinen zu reden. Diese Sache ließ sich nicht friedlich lösen. Sie setzte sich auf und ballte und entkrampfte die Fäuste. Schließlich beschloss sie, für ihr Leben zu kämpfen, sobald sich ihr die Gelegenheit bieten würde.
87
Auf der anderen Seite des Mittelgangs sah Charlie Conlan gleich zweimal hintereinander auf seine Uhr, bevor er zu dem dürren Kerl aufblickte, der ein Auge auf Mercedes Freer geworfen hatte und gerade an ihm vorbeiging.
Conlan drehte sich um. Hinter ihm saß ein einzelner Maskierter auf dem Geländer. Er legte gerade seine Schrotflinte auf seinen Oberschenkeln ab und zog etwas aus der Tasche seiner Kutte - ein mit Juwelen besetztes Handy, das einer der Geiseln gehörte. Wollte er jemanden anrufen? Wen?
Doch der Kerl blickte nur auf den Bildschirm und drückte mit den Daumen auf die Tasten. Er spielte ein Videospiel.
Conlan hustete zweimal. Sein Signal. Todd Snow in der ersten Reihe richtete sich auf und warf ihm einen Blick zu. Conlan nickte, als Mercedes, die am Rand einer der mittleren Bänke saß, den vorbeigehenden Geiselnehmer an der Kutte zog.
Auf geht’s.
Als sich der Kerl umdrehte, stürmte Snow über die vordere Bank, sprang geräuschlos übers Geländer und verschwand unter dem Altartuch.
Conlan riss den Kopf herum, um zu sehen, ob der Kerl hinten auf dem Geländer etwas bemerkt hatte. Nö, war immer noch mit seinem Spiel beschäftigt.
Conlan hörte, wie Mercedes den anderen Wichser in ein Gespräch verwickelte.
»Ich werde langsam wahnsinnig«, zischte Mercedes. »Komm schon, hast du Bock? Ich meine es ernst. Gib mir wenigstens einen Kuss.«
Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. Er blickte zurück zu seinem Partner, bevor er sich nach unten beugte, Mercedes durch seine Skimaske einen Zungenkuss gab und mit seinen Händen über ihren ganzen Körper fuhr.
»Nicht hier vor allen anderen. Hinter dem Altar«, flüsterte Mercedes atemlos.
Der Kerl blinzelte zu seinem Partner zurück.
»Aber hör mal! Bin ich es nicht wert?«, fragte Mercedes. Sie ließ ihre Hände unter seine Kutte gleiten. Hielt sie gleich oberhalb seines Schritts an. »Glaub mir, ich bin es wert.«
»Hinter dem Altar?«, fragte er. »Du bist ja noch verdorbener als auf deinen Videos. Also gut, gehen wir.«
Conlan stieß die Luft aus, als sich Mercedes erhob. Das war’s.
Jetzt würden zwei Dinge passieren. Snow würde den Geiselnehmer hinter dem Altar niederschlagen und Conlan den auf dem hinteren Geländer. Dann hätten sie zwei Waffen und damit vielleicht eine Chance, lebend hier rauszukommen.
Charlie Conlan wischte sich den Schweiß von den Händen. Er wusste, wie riskant die Sache war. Doch entweder kämpfen oder darauf warten, ebenso wie Rooney erschossen zu werden.
Wieder blickte er zum Altar hinauf. Als wären sie aneinandergeklebt, eilten Mercedes und ihr Kerl die Stufen hinauf.
Jetzt!
Conlan erhob sich von seiner Bank, hörte aber plötzlich
eine Explosion. Etwas, das sich anfühlte wie eine Faust, wurde in sein Kreuz gerammt.
Dann gab es eine zweite Explosion, und etwas Eisenhartes traf ihn am Kinn. Ohne zu wissen, wie es passieren konnte, lag er taub und blutend auf dem Rücken, bemüht, nicht ohnmächtig zu werden.
Todd Snow schrie auf. Er war auf den schlaksigen Kerl zugerannt, als plötzlich drei von dessen Kollegen auftauchten. Sie schossen auf ihn - Gummigeschosse!
Entsetzt musste Conlan mit ansehen, wie Snow fiel. Dann kam Little John aus dem Hauptschiff und ging zu Snow.
»Dachten Sie, Sie könnten uns überrumpeln? Sie? Ein alter Mann?«, höhnte Little John und stellte seinen Fuß auf Snows Brust.
Langsam, fast feierlich nahm er einem seiner Kollegen das Gummigeschossgewehr aus der Hand und hielt die Mündung zwischen Snows Augen. Er schien nachzudenken, legte aber die Mündung schließlich auf Snows rechte Hand, die Wurfhand. Trat aufs
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