Totenmesse - Patterson, J: Totenmesse - Step on a Crack
der alles übertraf, schnarchte mit Kekskrümeln auf seiner Wange auf der Chaiselongue in meinem Schlafzimmer. Mein elftes Kind. Ich warf eine Decke über ihn und schaltete das Licht aus.
Der größte Schock traf mich, als ich das Wohnzimmer betrat. Dort stand nicht nur ein riesiger Weihnachtsbaum, er war auch mit allen Schikanen geschmückt. Die Geschenke der Kinder waren aus meinem Schrank hierher gebracht, fachmännisch eingepackt und in zehn Stapeln unter den Baum gelegt worden.
Auf dem Sofa, auf der Fernbedienung des DVD-Spielers, lag ein Zettel. »Abspieltaste drücken« stand darauf. »Fröhliche Weihnachten. Mary Catherine.«
Eine Videoaufnahme von Chrissy, die als Engel gekleidet den Mittelgang in der Turnhalle der Holy Name entlangschritt, erschien auf dem Bildschirm.
Tränen traten mir in die Augen, aber diesmal nicht vor Wut. Was hatten Mary Catherine und mein Großvater doch für eine grandiose Arbeit geleistet! Was konnte schöner sein als das?
Hm, wie wär’s mit Maeve, die gesund hier neben dir sitzt?, fragte eine innere Stimme.
Im Moment hatte ich keine Kraft, auf Stimmen zu hören. Bald würde alles vorbei sein. Ich trocknete meine Augen, um meine Jungs als Hirten zu sehen, die von weit her zur Krippe kamen. Gott schütze die Bennetts.
85
Ich weiß nicht, was mir mehr gefiel, als ich am Weihnachtsmorgen früh aufwachte. Der unvergleichliche Duft von Kaffee und Schinken, der durch meine offene Tür drang, oder das kaum unterdrückte Kichern neben meinem Bett.
Ich setzte mich auf. »O nein«, sagte ich nach einem besonders lauten Kichern. »Alle meine Kinder schlafen noch tief und fest … und in meinem Zimmer sind irische Kobolde!«
Eine Lachsalve brach los, und Shawna, Chrissy und Trent drückten mich zurück aufs Kissen.
»Es sind keine Kobolde«, klärte mich Trent auf, der neben meinem Kopf wie ein Känguru hüpfte. »Es ist Weihnachten!«
Mich jeweils an einer Hand packend, zogen mich Chrissy und Shawna aus dem Bett und ins nach Tannennadeln duftende Wohnzimmer.
Der Anblick meiner beiden Kleinen war für mich schon Weihnachtsgeschenk genug. Norman Rockwell hätte es nicht besser malen können. Weihnachtsbaumlichter funkelten an diesem besonderen Tag der Tage in den weit aufgerissenen Augen zweier kleiner Mädchen.
»Du hattest Recht, Daddy!«, sagte Chrissy und klatschte die Hände über ihrem Kopf zusammen. »Ich habe das Küchenfenster aufgelassen, und der Weihnachtsmann ist gekommen!«
Trent schüttelte eine Schachtel.
»Wie wär’s, wenn ihr Kleinen zuerst die Großen aufweckt?
«, fragte ich. »Dann machen wir die Geschenke gemeinsam auf, ja?«
Drei kleine Kometen flogen gleichzeitig aus dem Zimmer. Ich folgte dem wundervollen Duft in die Küche. Mary Catherine, die gerade Pfannkuchenteig in eine Pfanne goss, lächelte mich an.
»Fröhliche Weihnachten, Mike«, begrüßte sie mich. »Möchten Sie Ihre gebratenen Eier auf den Pfannkuchen oder daneben?«
»Wie es für Sie am einfachsten ist.« Ich staunte nicht schlecht, dass Pfannkuchen und Eier gleichzeitig zu bekommen im Bereich des Möglichen lag. »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen jemals für all das danken soll, was Sie für meine Familie getan haben. Der Baum, die Aufnahme vom Krippenspiel, Geschenke einpacken. Ich fange schon an zu glauben, den Weihnachtsmann gibt es wirklich. Sie sind von Tipperary aus nicht zufällig über den Nordpol gekommen?«
»Bitte«, tat Mary mein Lob mit einem Zwinkern ab. »Pater Seamus hat das meiste erledigt. Moment, ich höre die Kinder. Nehmen Sie das Tablett mit raus. Ich habe heiße Schokolade gemacht, Ihr Kaffee steht dort auf der Insel.«
Mit dem Tablett ging ich zurück ins Wohnzimmer. Ich dachte, die Kinder hätten sich schon längst wie Wölfe über die Geschenke hergemacht, doch sie standen einfach nur da. Was war los?
»Ihr hättet nicht auf mich warten müssen«, sagte ich. »Fröhliche Weihnachten. Lasst das Geschenkpapier fliegen!«
»Also, Dad«, begann Brian. »Wir, äh, hatten eine Kinderversammlung und, äh …«
»Brian will sagen«, kam ihm Julia zu Hilfe, »wir haben
beschlossen, die Geschenke erst zu öffnen, wenn wir Mom besuchen. Wir wissen, du musst wieder zur Arbeit, aber wir sind bereit zu warten, bis du nach Hause kommst, damit wir Mom gemeinsam besuchen können.«
Ich ging auf meine Kinder zu und nahm so viele in meine Arme, wie ich konnte.
»Ich gebe mich geschlagen.« Ich schloss meine Augen in dem Gedränge, so fest ich konnte. »Ihr seid die
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