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Totenmesse

Titel: Totenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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sah, wie auch er sich verwandelte. Alles, was einmal unser Leben gewesen war, unsere gemeinsame Faszination, kehrte zu ihm zurück, wie es zu mir zurückgekehrt war.
    Während er las, versuchte ich, dich zu verstehen, Gott, an den ich nicht glaube. Deine Absicht, uns beide hier in einem Keller jenseits von Zeit und Raum zusammenzuführen, schien so offenbar zu sein, dass sie nicht außer Acht gelassen werden durfte. Du hast einen kleinen Raum der Versöhnung jenseits von allem geschaffen, Gott, an den ich nicht glaube. In der tiefsten Hölle hast du eine minimale Möglichkeit für den verlorenen Menschen geschaffen, seine Vergangenheit zu verändern. Dafür, dass du nicht existierst, Gott, an den ich nicht glaube, sind deine unergründlichen Wege zuweilen ausgesprochen deutlich.
    Schließlich klappte Kuvaldin das Notizbuch zu, betrachtete mich fürsorglich und sagte: »Ich hatte recht. Sie sind ein Genie, Hans.«
    Â»Sollen wir das Loch wieder zuschaufeln?«, sagte ich.
    Maxim hat eine Uhr. Ich weiß wieder die Uhrzeit. Es gibt wieder die Zeit. Es ist sehr merkwürdig.
    Es sind vierzehn Stunden vergangen, seit wir uns getroffen haben. Das Loch zur Außenwelt ist wieder zugeschaufelt. Dies ist die erste Pause, die wir machen.
    Wir sind sonderbar weit gekommen.

42
    Der Mann mit dem Bauernkäppi kratzte sich am Kopf, sodass das Käppi verrutschte, und sagte: »Barock?«
    Â»Machen Sie sich nicht lächerlich«, sagte Arto Söderstedt. »Sie wissen genau, was Barock ist. Vermutlich kennen Sie sogar den angesehenen Möbelschreiner Weissenberger aus Leipzig.«
    Sie saßen in einem Büro in Norrtälje und sahen hinaus auf den kleinen Bach, der durch das stille Roslagsstädtchen floss. Der Mann mit dem Käppi kratzte sich und lächelte in sich hinein; vermutlich wollte er sich so bäuerisch stellen, dass die beiden arroganten Großstadtpolizisten dachten, er hätte Läuse.
    Oder er hatte Läuse.
    Â»Ich versuche, diese Haltung zu verstehen«, sagte Söderstedt. »Wenn ich weniger ungeduldig wäre, würde ich sie genauer erforschen.«
    Der Mann hörte auf, sich zu kratzen, und schlürfte von dem dickflüssigen Kaffee. Es war ihm nicht gelungen, den beiden Polizisten das Gesöff aufzuschwatzen. »Er ist verflucht billig weggegangen«, sagte der Mann. »Das weiß ich noch. Erst wurde gut geboten, von ein paar Professionellen. Aber plötzlich war die Luft raus.«
    Â»Für wie viel ging er weg?«, sagte Söderstedt als kleinen Test.
    Â»Elftausend«, sagte der Mann, ohne zu blinzeln. »An Sie.«
    Â»Dann können wir jetzt mit dem Unsinn aufhören?«
    Â»Glückspilz«, sagte der Mann, plötzlich ohne Dialekt.
    Â»Wie sind Sie an den Schreibtisch gekommen?«
    Â»Wir haben ihn in einer Wohnung in Stockholm abgeholt. In Södermalm.«
    Â»Genauer?«
    Â»Tantogatan. Eine genaue Adresse habe ich nicht. Er stand in einem Keller.«
    Â»Sind Sie dem Verkäufer begegnet?«
    Â»Ganz kurz«, sagte der Mann mit dem Käppi und sah sich plötzlich mit einem Foto in der Hand dasitzen. Er betrachtete es genau und sagte dann: »Ja, das ist er. Strömberg heißt er. Alvin Strömberg.«
    Â»Sind Sie sicher?«
    Â»Für wie dämlich halten Sie mich?«, sagte der Mann mit dem Käppi und kratzte sich am Kopf.

    Â»Wir wissen doch nicht mal, ob er lebt«, sagte Jon Anderson und sah am Bildschirm vorbei.
    Â»Nein«, sagte Jorge Chavez.
    Ihre Blicke trafen sich genau über der Mitte des gemeinsamen Schreibtischs. Höchst energische Blicke von ganz unterschiedlicher Art, der eine geläuterter, etwas mehr zum ökonomischen Einsatz der Energien befähigt, der andere jugendlicher, weniger zielgerichtet, mit bedeutend größerer Energieentwicklung, aber auch bedeutend geringerem Wirkungsgrad.
    Chavez hatte ein Gefühl wie vor einem Hallenfußballspiel gegen die Königlich-Technische Hochschule. Alle waren zwanzig und schossen und traten und rannten wie die Wilden. Aber das Tor machten die Älteren.
    Das nannte man positives Denken.
    Â»Es ist sogar ziemlich wahrscheinlich, dass Andreas Becker in dieser Villa auf Färingsö gestorben ist«, fuhr Anderson fort.
    So leicht bringst du mich nicht aus dem Gleichgewicht, dachte Chavez und sagte: »Auf die Plätze, fertig – los!«
    Und dann ging es ab in den Cyberspace.

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