Totenmesse
ist uns bewusst. Ich nehme an, Sie haben einen Plan.«
»Ja. Wir haben einen Plan. Er sieht vor, mit dem Geld vonhier fortzukommen, ohne dass halb Stockholm gesprengt wird und zahllose Menschen sterben.«
»Sie haben also keinen Plan?«
»Das genau ist der Plan.«
»Jetzt verstehe ich nicht ganz.«
»Wer versteht sich am besten darauf, Geiseln zu retten? Sie natürlich, die Polizei. Die schwedische Polizei. Sie sind nicht die russische Polizei, die gegen Räuber und Geiseln unterschiedslos Giftgas einsetzt.«
»Sie denken an die Tschetschenen im Dubrovka-Theater in Moskau letzten Herbst?«
»Wie angenehm, mit einem Polizeibeamten zu sprechen, der über Allgemeinbildung verfügt.«
»Das weià doch die ganze Welt.«
»Aber wie viele hätten Dubrovka gesagt?«
»Was exakt wollen Sie mir sagen?«
»Versuchen Sie nicht, Gas einzusetzen. Die Sprengladungen können im Bruchteil einer Sekunde gezündet werden.«
»Okay. Und was haben Sie sich vorgestellt?«
»Das wissen Sie sehr gut, Hultin.«
»Ich möchte es gern von Ihnen hören.«
»Unser Plan ist, dass die Polizei uns einen Plan liefert.«
»Das hört sich optimistisch an.«
»Sie sind diejenigen, die sich damit auskennen.«
»Wir kennen uns auch damit aus, Verbrecher zu fassen.«
»Haha. Politisch gesehen, ist nur wichtig, dass die Geiseln überleben und dass die Gebäude stehen bleiben. Oder wollen Sie, dass Strindbergs Esplanadensystem gesprengt wird? Denken Sie sich eine Methode aus. Sie können überlegen, während Sie evakuieren. Sind Sie übrigens bald fertigdamit?«
»Ja, bald.«
»Gut.«
Das plötzliche Schweigen schien alle zu überrumpeln. Es vergingen noch zehn Sekunden, bis Jon Anderson sagte: »Er macht sich nicht einmal die Mühe zu drohen.«
»Das stimmt«, sagte Hultin. »Er meint wohl, dass eine zerschossene Bank, neun Geiseln und hundert Kilo Dynamex eine deutliche Sprache sprechen.«
»âºStrindbergs Esplanadensystemâ¹Â«, sagte Arto Söderstedt nachdenklich. »Und âºwie viele hätten Dubrovka gesagt?â¹. Das ist kein gewöhnlicher Bankräuber.«
»Ich weià nicht, ob es überhaupt noch gewöhnliche Bankräuber gibt«, sagte der Reichskrimchef in nostalgischem Ton.
Die Totenmesse in Paul Hjelms Kopf hallte immer stärker. Er spürte, dass es eine Grenze gab, wo sie nicht mehr den Tod beschwor, nicht mehr das noch verbleibende Leben anrief und ihm huldigte, sondern zum ganz eigenen Klang des Todes wurde. Mozart spielte natürlich mit dieser Grenze â es ging ein Zug von Grauen durch das ganze Requiem , der hier und da an die Oberfläche kam und einem ganz andere Schauer das Rückgrat hinunterrieseln lieÃ. Vor allem dann, wenn die Lautstärke zunahm â und die hatte in Hjelms Kopf zugenommen, während Hultins Gespräch mit dem Bankräuber abgespielt wurde. Er musste einfach Dampf ablassen. »Mir sind trotz allem Kriminelle lieber, die eine Schraube locker haben«, sagte er. »Sie sind vielleicht unberechenbar, aber man kann sie lenken. Versuch mal, den hier zu manipulieren.«
Kerstin Holm, die neben ihm saÃ, legte die Hand auf seine, und Hultin vorn am Katheder zeigte kurz eine strenge Miene. Kerstin flüsterte: »Sie kommt bestimmt heil da raus«, während Hultin sagte: »In gewisser Weise ist eine direkte Beziehung zu den Tätern besser â¦Â«
Aber es klang reichlich hohl.
Kurz danach fuhr er fort, diesmal etwas überzeugender: »Wollen wir versuchen, uns darüber klar zu werden, mit was für Typen wir es hier zu tun haben? Es können eigentlich nicht mehr als zwei sein, das hat uns die Ãberwachungskamera gezeigt, bevor sie zerschossen wurde, und das zeigtauch dieses Bild. Trotzdem können wir nicht sicher sein. Pack es mit in deine SMS, Paul. Hallo, hörst du noch zu?«
Pauls Blick war völlig abwesend. Hultin sah, dass er kurz davor war, sich von der Situation überwältigen zu lassen. Und er konnte es ihm kaum vorwerfen. Aber sie brauchten ihn.
Hultin fasste einen Beschluss. »Kerstin«, sagte er. Und Kerstin Holm sah ihn mit einem Blick an, der auch kein richtiger Polizeiblick war.
Was läuft hier falsch?, dachte Hultin. Sollte nicht die Tatsache, dass eine der A-Gruppe nahestehende Person in den Fall verwickelt war, sie dazu zwingen, die
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