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Totenmond

Totenmond

Titel: Totenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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Dad glaubte, Alex sei nur deswegen zur Polizei gegangen, um irgendetwas wiedergutzumachen. Seinen bis heute nicht gefassten Mörder zu finden. Vielleicht stimmte ein Teil davon sogar.
    »Papa, es ist nicht so einfach, aber …« Alex suchte nach Worten. »Ich habe schon sooft versucht, es dir zu erklären.«
    »Ich verstehe dich.«
    Was war das denn? Hatte das gerade ihr Vater gesagt? Alexander von Stietencron selbst? War das wirklich Dad, der ihr gegenübersaß, oder eine Wunschprojektion? Ein programmierter Klon?
    »Damals, als du nach dieser Purpurdrachen-Sache mit der Schussverletzung im Krankenhaus warst und Mama und ich dich besucht haben, ist etwas in mir zersprungen. Aber es hat mich auch zum Nachdenken gebracht. Weißt du, wir haben beide diesen Gerechtigkeitsspleen. So unterschiedlich sind wir nicht, nur unsere Methoden sind jeweils anders. Und irgendjemand muss diese Verbrecher stoppen. Ich kann das nicht. Aber es macht mich stolz, wenn du es tust. Mehr wollte ich nicht sagen.«
    Wortlos schlang Alex die Arme um ihren Vater. Drückte ihn fest, was er erwiderte. Dann löste sie sich wieder.
    Er strich ihr lächelnd über die Wange. »Es gibt da noch etwas.«
    Dad beugte sich vor, griff unter das Sofa und holte ein in buntes Papier verpacktes Paket hervor. Es hatte etwa die Maße eines Laptops, war aber bedeutend dicker. Er reichte ihr das Geschenk. Es war schwer.
    Alex sah ihren Vater fragend an und löste dann die Schleife. Schließlich zerriss sie das Geschenkpapier und legte einen schwarzen Hartschalenkoffer frei, in dessen von einer Einfräsung eingefassten Deckel in Versalien die Buchstaben »LOCK« geprägt worden waren. Dann öffnete sie die Schnappverschlüsse und damit den Koffer – und verstand, dass die Fräsung, die den Schriftzug einfasste, ein großes G darstellte.
    Alex schwieg. Fuhr nur mit der Hand über den im Schaumstoff des Kofferinneren eingebetteten Mix aus mattem Stahl und Kunststoff.
    »Auf der Waffenbesitzkarte steht noch mein Name, das war beim Kauf nicht anders möglich. Du musst sie natürlich umgehend auf dich umschreiben und entsprechend registrieren lassen. Ich bin mir sicher, in deiner Dienststelle lässt sich das schnell und unkompliziert erledigen. Immerhin hast du ja einen Waffenschein und bist Polizistin. Es ist eine …«
    »Glock 17, Kaliber 9 x 19, leichtgewichtig wegen der Kombination aus Metall und Polymer-Kunststoff, siebzehn Schuss im Standardmagazin sowie einem Tactical Light …«, sagte Alex atemlos.
    »Die Taschenlampe kann man unter den Lauf klemmen und von Xenon auf Laser umschalten.«
    Alex nickte heftig.
    »Das Modell wird von vielen Polizei-Einheiten eingesetzt. Sie soll sich wegen des geringen Gewichts noch etwas besser für Frauen eignen als euer Dienstmodell. Das Magazin hat eine ausgezeichnete Kapazität.«
    Wieder nickte Alex. Das war Dad. Sie konnte ihn vor sich sehen, wie er das Internet durchforstete, um sich in die Waffenkunde einzuarbeiten. Wie er sich am Telefon bei Bekannten von der Polizei oder einer Beschussabteilung und schließlich in einem Fachgeschäft kundig machte, um herauszufinden, was das Beste vom Besten für seine Tochter war.
    Alex schloss den Koffer. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    »Vor allem sag deiner Mutter nichts. Kein Wort.« Dann beugte er sich vor und griff nach Alex’ Hand. »Ich wünsche mir, dass du sie niemals benutzen musst. Aber wenn du sie benutzen musst, dann will ich, dass du immer eine Kugel mehr im Magazin hast als der andere und dass dir das bestmögliche Werkzeug zur Verfügung steht.«
    »Aber wir dürfen im Einsatz nur unsere Dienstwaffe benutzen. Ich meine, ich darf die Glock natürlich führen, aber als private Waffe nicht im Einsatz und …«
    »Mach damit, was du meinst. Es ist die einzige Art, die mir einfällt, wie ich meine Tochter beschützen kann.«
    Alex lachte. Dann wurde sie wieder ernst und dachte an das Lied von Sting.
    Du wirst weder meinen Schatten sehen noch meine Schritte hören, während der Mond in die Bourbon Street scheint.
    Und daran, dass es vielleicht nicht verkehrt war, wie andere Kollegen ebenfalls eine private Waffe zu besitzen, wo sie die Dienstwaffe jeden Tag wieder abgeben musste. Eine private Waffe, die man offiziell für das Großkaliberschießen im Polizeisportverein nutzte. Eine Waffe, die man inoffiziell zur persönlichen Sicherheit besaß. Für den Fall der Fälle. Und der konnte schneller eintreten, als einem lieb war.

28.
    D as andere Päckchen

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