Totenmond
Ich würde lieber nackt gehen als … Sie wissen schon.« Die Frau schmunzelte betont cool und paffte einen Kringel in die Luft.
»Die zweite Polizistin?«, fragte Alex und zog das Notizbuch aus ihrer Handtasche. »Ich verstehe nicht ganz.«
»Na, es war halt schon einer da. Vorgestern oder so. Den Namen habe ich vergessen – Landeskriminalamt, kann das sein?«
»Ah, natürlich.« Alex versuchte, sich ihre Verwunderung nicht anmerken zu lassen. So langsam dämmerte ihr, was da ablief.
Petra Becker griff nach einem überquellenden Aschenbecher. »Kommunikationsproblem, was?«, fragte sie grinsend.
»Nein«, log Alex, »ich habe nur noch ergänzende Fragen. Viel will ich gar nicht mehr wissen.«
»Ich habe auch nicht viel zu sagen«, entgegnete Petra und aschte ab. »Habe ich Ihrem Kollegen schon erklärt.«
Sie blickte mit leerem Blick aus dem Fenster, vielleicht auch in sich selbst hinein. »Schrecklich, das mit Antje.«
Alex nutzte die Gelegenheit und griff noch einmal in die Handtasche. Sie zog das oberste Blatt eines Post-it-Blocks ab, während Petra Becker weiter nach draußen starrte. Die Sonnenstrahlen zeichneten feine Linien in den Rauch, den sie aus der Nase ausstieß. Alex presste den Zettel auf die Sitzfläche des Leopardenfellsessels und zog ihn wieder ab. An der Klebefläche blieben einige Haare hängen, die denen von Hannibal glichen. Sie ließ den Zettel in der Klarsichthülle in ihrer Handtasche verschwinden, in der sie für gewöhnlich die Einkaufsquittungen sammelte, und fragte dann: »Sie haben nach unseren Informationen mit Antje zusammengearbeitet?«
Petra nickte und wandte sich wieder Alex zu. »Habe ich doch alles schon erklärt.«
»Sie waren befreundet?«
»Wir waren Kolleginnen und konnten ganz gut miteinander.«
»Hat sie Ihnen gegenüber irgendwann einmal einen Freund erwähnt?«
Petra Becker zögerte eine Zehntelsekunde zu lange, bevor sie den Kopf schüttelte. Sie inhalierte und paffte genervt den Rauch aus.
»Irgendwelche losen Bekanntschaften«, bohrte Alex nach.
»Nichts, worüber ich etwas Neues sagen könnte.«
Alex wischte sich übers Gesicht, schlug das Notizbuch auf und zog einen zusammengefalteten Ausdruck hervor. Er zeigte Fotos von Männern, die seinerzeit mit Nele Bender Kontakt gehabt hatten. Freier. Freunde. Allesamt mit Alibi und bislang keine dringenden Tatverdächtigen. »Jemanden davon schon mal gesehen?«
Petra Becker blickte kurz auf den Zettel. »Nein.« Sie zuckte mit den Schultern und starrte wieder aus dem Fenster. »Das hat mir Ihr Kollege auch schon gezeigt. Ich kann Ihnen nicht weiterhelfen.«
Alex sog die Luft ein. Für einen kurzen Moment wurde ihr übel von der Mischung aus süßlichem Muff, kaltem und frischem Zigarettenrauch und trockener Heizungsluft. Sie überlegte, ob sie Veronika Martens zu einer Runde Ving Tsun in der Turnhalle einladen sollte – und zwar nicht mit simulierten Schlägen und Tritten, sondern mit richtigen. Alex hatte keine Ahnung, was die Martens hier abzog. Aber dass sie ihre Jungs auf eigene Rechnung arbeiten ließ, ohne die Lemfelder Kollegen einzubeziehen, lag auf der Hand.
Alex fragte: »Sind Sie sich wirklich vollends sicher, dass es da keinen Mann in Antjes Leben gab?«
Petra Becker klimperte mit den Wimpern und tat so, als müsste sie einen Fremdkörper entfernen. »Keine Ahnung.«
»Petra«, sagte Alex ruhig, aber bestimmt. »Antje an Huef ist tot. Wenn sie über einen Mann in ihrem Leben gesprochen hat, sollten Sie mir das jetzt sagen. Wir können unsere Unterhaltung auch in der Polizeibehörde fortsetzen. Dann nehmen Sie sich ein paar Sachen mit – und am besten direkt einen Ersatzschlüssel für die Kollegen, damit Ihre Tür für eine Durchsuchung nicht aufgebrochen werden muss.«
»Was? Wie bitte?« Jetzt riss Petra die Augen auf. Die Asche fiel von ihrer Zigarette ab und landete auf dem Fußboden.
»Wäre blöd, wenn es so weit kommen muss«, erklärte Alex, »und Sie in Ihrer Wohnung Dinge aufbewahren, die Sie zum Beispiel in dem Gerät da drüben rauchen.« Alex deutete auf eine Wasserpfeife. »Oder hier auf dem Sofa wegzischen.« Sie fingerte aus dem Aschenbecher eine erloschene selbstgedrehte Zigarette heraus, die anstelle eines Filters ein zusammengerolltes Pappstück hatte. »Ihre Freundin Antje ist tot«, sagte Alex und ließ den Joint wieder fallen. »Es geht hier um eine sehr ernste Angelegenheit, und es gibt keinen Grund mehr, Antje oder ihre Familie schützen zu wollen.«
Petras
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