Totenmond
administrativer Netzwerkschutz.«
»Sie kennen sich gut aus damit«, sagte Schneider, zog ein Tempo hervor und tupfte sich etwas Schweiß ab. »Für mich sind das böhmische Dörfer.«
»Kurz nachdem ich nach Lemfeld kam, habe ich das System mit aufgebaut. Ich hatte es für pädagogisch unbedingt notwendig gehalten, dass sich die Kids im Internet bewegen, Medienkompetenz gewinnen und nicht ausgeschlossen sind. Wir haben auch einige Projekte umgesetzt, Webseiten erstellt, Galerien angelegt, Musik produziert, einen Radiostream aufgelegt, Hörspiele aufgenommen und solche Dinge.«
»Mhm«, machte Schneider. »Und in dieses Protokoll von Nele Bender könnten wir zum Beispiel einmal hineinschauen?«
»Ja.«
»Jetzt?«
»Kein Problem.« Potthast zuckte mit den Schultern, griff wortlos nach einem silbernen Laptop, klappte ihn auf und fuhr ihn hoch. »Die Polizei hat deswegen vor zwei Tagen angerufen, und Ihrem Kollegen habe ich gestern einen Ausdruck davon mitgegeben …«
Schneider fiel ihm ins Wort. »Wir nehmen es trotzdem. Doppelt hält besser.«
Alex versuchte, sich ihre Wut nicht anmerken zu lassen, und deutete auf die Bilder an den Wänden. »Stammen die Aufnahmen aus Afrika und Südamerika?«
»Ja.« Potthast wischte mit dem Finger auf dem Trackpad des Notebooks herum und schien einige Programme zu öffnen. »Ich habe dort in verschiedenen kirchlichen Hilfsprogrammen mitgearbeitet. Projekte mit Aids-Waisen, Suppenküchen.« Seine Finger flogen über die Tastatur.
»Afrika muss aber auch schön sein«, murmelte Schneider. »Ein Neffe von mir war kürzlich in Namibia. Da stehen noch Fachwerkhäuser in der Hauptstadt. War ja alles mal deutsch.«
»In Namibia war ich nicht, nein, aber Afrika ist atemberaubend, das ist wahr. Man sagt, wenn man einmal da war, will man immer wieder hin.«
»Genauso wie auf Mallorca.«
Potthast unterbrach seine Arbeit für einen Moment und sah Schneider fragend an.
Schneider erklärte: »Ich bin wenigstens einmal im Jahr da. Natürlich nicht am Ballermann. Mallorca hat wirklich schöne Seiten.«
»Mhm.« Potthast widmete sich wieder dem Laptop. »Das hört man von den meisten, die auf Mallorca urlauben. Jeder sagt immer wieder, dass es auch schöne Seiten hat – wie um sich zu rechtfertigen.«
Alex lachte leise.
»So.« Potthast drückte auf die »Return«-Taste, worauf ein Drucker ansprang und Seiten auszuwerfen begann. Potthast griff sich den ersten Schwung, nahm einen Textmarker zur Hand und setzte eine Lesebrille auf. Alex betrachtete sein Gesicht, während der Pädagoge die Seiten überflog, ab und zu einen Strich mit dem Textmarker setzte und Alex und Schneider schließlich einige Ausdrucke zuschob.
Alex überflog die Papiere. Wie es schien, war Nele Bender auch vom Luisenhof aus in sozialen Netzwerken unterwegs gewesen und hatte ein regionales GetLove-Konto genutzt. Schneider seufzte. Auch er hatte das offensichtlich verstanden.
Alex fragte: »Hat es innerhalb der Jugendlichen-Wohngruppe im Laufe der letzten Wochen und Monate auffällige Entwicklungen gegeben?«
Potthast runzelte die Stirn, nahm die Lesebrille ab und faltete erneut die Hände. »Wie meinen Sie das?«
»Vielleicht war jemand ganz besonders traurig, besuchte Neles Grab regelmäßig?«
»Ich verstehe nicht ganz?«
Schneider griff in die Innentasche des Blousons, der über der Rückenlehne seines Stuhls hing, und zog ein Foto hervor, das er vor Potthast auf den Tisch legte. Es zeigte Antje an Huef. »Haben Sie diese junge Frau schon einmal auf dem Gelände gesehen? Oder vielleicht Bilder im Zimmer eines Ihrer Schützlinge? Hat einer von Ihnen häufiger mal Besuch von Mädels empfangen?«
Potthast betrachtete die Aufnahme, dann schüttelte er langsam den Kopf. »Nein, ist das das Mädchen, von dem Sie eben sprachen? Die auch bei uns war?«
Schneider nickte.
»Das war wohl vor meiner Zeit. Sie habe ich nie hier gesehen. Wir haben auch keine außergewöhnlichen Beobachtungen nach Neles Tod gemacht. Und Sie dürfen mir glauben, das wäre uns aufgefallen. Um die Kids aus Neles Gruppe haben wir uns nach ihrem Tod intensiv gekümmert, um ihre Trauer und Betroffenheit aufzufangen.«
»Mhm.« Schneider griff nach den Fotografien und steckte sie mit den Ausdrucken von Neles Surfprotokollen in die Tasche. »Antje an Huef hat eine Zeitlang im Luisenhof gelebt. Möglicherweise wäre es möglich, dass wir aus Ihren Archiven einige Daten über sie erhalten?«
»Sicher. Aber dazu brauchen wir natürlich
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