Totenmontag: 7. Fall mit Tempe Brennan
mich mit meinem zweiten Muffin wieder an den Tisch.
»Was hättest du denn gern, dass Claudel tut?«
Ich dachte einige Augenblicke darüber nach.
»Die Nachbarn befragen. Mehr über das Gebäude herausfinden. Die Vormieter ermitteln. Sich über die Besitzer informieren. Wer dort gewohnt hat. Wie lange das Erdgeschoss schon gewerblich genutzt wird. Welche Geschäfte darin waren. Was für Baugenehmigungen erteilt wurden und an wen.«
»Na also.« Wieder die offene Handfläche.
»Das sagst du jetzt schon zum zweiten Mal.«
»Zwing mich nicht zu einem dritten Mal.«
»Worauf willst du hinaus?«
»Auf die Lösung deines Problems.«
Es war noch zu früh. Ich konnte ihr nicht folgen.
»Und die wäre?«
»Mach es selber.«
»Claudel würde durchdrehen.«
»Mit welchem Recht? Er sagt, die Knochen sind alt. Er sieht keinen Grund für weitere Ermittlungen. Du stellst nur zusätzliche Nachforschungen an.«
»Das ist nicht meine Aufgabe.«
»Offensichtlich denkt Claudel, dass es auch nicht seine ist.«
»Claudel interessiert sich nicht für meine Vorschläge, aber wenn ich irgendetwas tue, das auch nur entfernt an Polizeiarbeit erinnert, wird er unverblümt feindselig.«
»Hör mal. Du musst es ja nicht gerade an die große Glocke hängen. Stocher einfach ein bisschen herum und schau, was aus den Löchern kriecht.«
Ich dachte darüber nach, während Anne ein Lösungswort in vierunddreißig senkrecht eintrug, es wieder ausradierte und ein neues hinschrieb. Was konnte es denn schaden, wenn ich mir alte Besitzurkunden, Steuerunterlagen und Baugenehmigungen anschaute? Wenn Claudel Recht hatte, würde ich sowieso mit den Archäologen arbeiten. Außerdem war er vollauf mit der Sache beschäftigt, die Ryan erwähnt hatte. Und wenn er dann irgendwann wieder Zeit hatte und erfuhr, dass ich Nachforschungen anstellte, fühlte er sich vielleicht verpflichtet, selbst zu ermitteln, nur um zu verhindern, dass ich etwas herausfand, das er nicht gefunden hatte.
In diesem Augenblick klingelte es an der Tür. Die SIJ meldete sich in der Gegensprechanlage. Ich ließ das Team ein, zeigte den Technikern die beschädigte Verandatür, Annes Zimmer und Katys Gemälde und bat sie dann, in der Küche anzufangen.
Während das Team fotografierte und Fingerabdrücke sicherstellte, machten Anne und ich uns daran, uns anzuziehen und zu frisieren und an Make-up aufzulegen, was uns nötig erschien. Während meiner Toilette überlegte ich mir, welche Möglichkeiten ich hatte.
Es war Freitag. Alle Behörden waren übers Wochenende geschlossen. Wenn ich heute das dritte Skelett untersuchte, hätte ich erst ab Montag wieder Zugang zum Gerichtsgebäude oder zum Rathaus.
Im Labor konnte ich immer arbeiten, auch am Wochenende, wenn es unbedingt sein musste. Unterlagen sichten konnte ich nicht immer.
Entscheidung.
Noch einmal verschob ich die eingehende Untersuchung des dritten Skeletts.
Nachdem ich Birdies Schüsseln mit Futter und Wasser aufgefüllt hatte, schaute ich nach den SIJ-Technikern. Bis jetzt hatten sie noch nichts gefunden.
Ich griff eben nach dem Telefon, als Anne in mein Schlafzimmer gerauscht kam. Sie trug Stiefel und die Jacke, die sie am Abend zuvor abgelehnt hatte. Der Angoraschal war bereits an Ort und Stelle, Mütze und Handschuhe hielt sie in der Hand.
»Ziehst du los?«, fragte ich.
»Wir ziehen los«, sagte Anne.
»Was ist mit dem Museum?«
»Die Kunst ist ewig. Die ist morgen auch noch da. Heute spiele ich Detective. Siehst du? Schon ist mein Leben mehrdimensional. Du und ich. Cagney und Lacey. Das wird ein Spaß.«
»Bist du sicher?«
»Ganz sicher.«
»Cagney und Lacey waren ausgebildete Detectives mit Marke und Pistole. Wir sind eher wie Miss Marple und eine ihrer Freundinnen aus dem Gartenverein. Aber okay, probieren können wir es ja. Die Jungs von der Spurensicherung kommen alleine zurecht. Ich höre nur noch schnell meine Nachrichten ab, und dann können wir aufbrechen.«
Ich wählte die Nummer des Instituts, gab meine Mailbox-Nummer und den Zugangscode ein. Eine Nachricht. 21 Uhr 43 am vergangenen Abend.
Die Worte der Frau lösten in meinem Kopf eine Kaskade von Schreckensbildern aus, eins schlimmer als das andere.
12
Hektisch deutete ich auf den Kugelschreiber auf meinem Toilettentisch. Anne sprang hin und holte ihn mir.
»Dr. Brennan, ich habe das Gefühl, ich muss diesen letzten Versuch noch machen, sonst komme ich mit mir nicht ins Reine.«
Ich prägte mir die Details ihrer Stimme ein. Alt.
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