Totenpech
eines offen zu halten. So sah ihr Zwinkern immer aus,
als hätte sie einen Lidkrampf.
Aethel nahm einen Schluck Tee und fing sofort an zu husten. Sie
hustete, fasste sich an die Brust, sprang auf und stürzte aus der Orangerie
durch die Halle zum Gäste- WC .
Dort schloss sie sich ein und drehte den kalten Wasserhahn auf. FlieÃendes
Wasser hatte stets eine beruhigende Wirkung auf sie gehabt.
Verdammt, sie wusste, dass sie eines Tages auffliegen würde, was sollte
sie jetzt erzählen? Dass sie gar nicht studierte, wie sie aller Welt glauben
machte, sondern eigentlich eine Diebin war? Und nicht nur das, sie war sogar
eine Mörderin! Sie wischte sich mit beiden Händen über das Gesicht, verharrte
einen Moment, und dann wusste sie, was zu tun war.
Als Aethel in die Orangerie mit den Zitrusbäumchen und den
jägergrünen Möbeln zurückkam, sahen sie alle besorgt an, bis auf ihren Vater,
der mit prüfendem Blick jede ihrer Bewegungen verfolgte, als würde er ihre Show
durchschauen.
»Geht es dir gut, Kind?«
»Ja, Mutter, alles in Ordnung.« Dann wandte sie sich an den Gast des
Hauses: »Sagen Sie, Lord Richmond, was würden Sie mir raten? Auf welches Recht
sollte ich mich spezialisieren?«
Der Lord richtete sich gerade auf, zupfte sein Halstuch zurecht und
fing an zu referieren, so wie Aethel es erwartet hatte. Denn der Lord war
jemand, der sich gern reden hörte. Man musste ihn nur dazu animieren, und das
hatte sie getan, indem sie eine Frage mit einer Gegenfrage beantwortet hatte.
Aethel lehnte sich entspannt zurück und tat so, als würde sie dem
Lord interessiert zuhören. Ihre Mutter hing an den Lippen des hoch angesehenen
Gastes, während Aethels Vater, Joseph Grosvenors, seine Tochter nicht aus den
Augen lieÃ, was ihr doch ein leichtes Unbehagen bereitete.
Lord Richmond erzählte fast ohne Punkt und Komma eine halbe Stunde
lang von seinem mit Auszeichnung bestandenen Master im internationalen
Wirtschaftsrecht, den er in Cambridge absolviert hatte, und von seinen
Erfolgen, die er seit fünf Jahren für die Kanzlei Morris & Co. Solicitors
verbuchte. Auch hier lieà er keine Details aus, sodass Aethel schon in Erwägung
zog, einfach in Ohnmacht zu fallen, damit der selbstverliebte Lord endlich den
Mund hielt.
Doch sie hielt tapfer durch, und als Aethel nach dem Dinner auf ihr
Zimmer gehen konnte, atmete sie einmal kräftig durch. Sie war sich ziemlich
sicher, Lord Richmond davon überzeugt zu haben, dass sie kein gutes Paar
abgeben würden. Sie schaltete ihren Laptop an und öffnete ihren Account.
Ihr Herz setzte fast aus, als sie die Zeilen las. Sie merkte sich
alle Daten, die Wegbeschreibung und löschte die E -Mail.
16. KAPITEL
München   Wie
gebannt starrte Ronald Walter auf die freigelegte Mumie. Zwischen die
Leinenbinden war ein Schmuckstück gelegt worden, das er nun in den Händen
hielt. Es war ein Udjat-Auge, das Schutz vor allem Bösen und ein ewiges Leben
verspricht. Ein Beweis dafür, dass diese Mumie noch nie ausgewickelt worden
war, sonst wäre das Schmuckstück nicht mehr dort. Obwohl es Mumien gab, die an
die sechzig Amulette bei sich trugen.
Die Bauchhöhle war eingefallen, sodass er davon ausging, dass man
die Organe fachgerecht entnommen hatte. Wichtig war, dass das Herz noch an
seinem Fleck saÃ. Das Herz, das Zentrum der Persönlichkeit, dort, wo der
Verstand, das Gewissen und das Gefühl waren. Bei einer Entnahme würde die
Hoffnung auf eine Wiedergeburt völlig versiegen und käme einer vollkommenen
Vernichtung gleich.
Die typische Armhaltung, der rechte Arm war über der Brust gekreuzt,
deutete eindeutig auf eine Königin hin.
Und doch gab es zwei Punkte, die Ronald Walter störten. Da waren die
Finger, die normalerweise einzeln verbunden worden wären, was hier nicht der
Fall war. Und warum hatte man eine Königin in einen Sarkophag eines Königs
gelegt? Ronald Walter war verwirrt, er zweifelte auf einmal an seinen
Kenntnissen über die altägyptische Kultur und deren Bräuche. Er sah sich noch
einmal die Röntgenbilder vom Schädel an, und dann entdeckte er etwas, das ihm
den Schweià aus allen Poren trieb. Auf seinem weiÃen Kittel bildete sich eine
gerade graue Linie über seinem Rückgrat.
17. KAPITEL
Das Schicksal wollte es, dass Sam wieder einmal die Villa
von Lothar Senner betrat, dem Besitzer der Pink Panther, auf der
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