Totenpech
hopsen.«
»Kein Problem.«
Daniel half ihr aus dem Sitz und küsste sie zärtlich.
Lina war schon im Wasser, bevor Daniel die Liegen bezahlt hatte. Sie
legte sich auf den Rücken und lieà sich von den seichten Wellen an den Strand
tragen. Als sie sich umdrehte, konnte sie Daniel erst nicht finden, doch dann
sah sie ihn auf einer Liege sitzen und telefonieren. Er schien wütend zu sein.
Sein Körper war angespannt, und sein Gesichtsausdruck verhieà nichts Gutes. Er
griff nach etwas, das an seinem Hals an einer Kette baumelte, setzte es an die
Lippen und schien daran zu nippen. Dann nahm er es ab, legte es auf den
Liegestuhl und bedeckte es mit einem Handtuch. Lina tat so, als hätte sie es
nicht gesehen, und drehte sich wieder auf den Rücken.
»So kann man es aushalten, oder?«
Daniel stand neben ihr im Wasser mit zwei Gläsern Champagner und
reichte ihr eines davon. Das prickelnde Getränk war zwar nicht ganz so nach
ihrem Geschmack als gelegentliche Weintrinkerin, aber sie trank es trotzdem.
Den Rest des Nachmittags verbrachten die beiden mehr im Wasser als
auf den Liegen. Als die Sonne sich langsam senkte, war Lina schon reichlich
betrunken. Daniel amüsierte sich über sie und half ihr, sicher aufs Zimmer zu
kommen.
Auch das kalte Wasser aus der Dusche brachte nicht die gewünschte
Klarheit in ihren Kopf zurück. Im Gegenteil, Lina war kaum noch in der Lage zu
stehen, sank in die Knie, und plötzlich wurde ihr schwarz vor den Augen. Sie
hörte, wie Daniel gegen die Tür klopfte und ihren Namen rief. Dann spürte sie
noch, dass sie aufs Bett gelegt wurde.
»Hey, Schönheit. Was ist los mit dir?« Doch die Worte waren so weit
weg, und das Reden fiel ihr unendlich schwer.
»Ich bin ja bei dir ⦠das geht bestimmt gleich vorbei.«
62. KAPITEL
Die dreistöckige Bastide aus dem 19. Jahrhundert gefiel
Aethel. Die schlichte Fassade mit den hellblauen Fensterläden sah aus wie ein
überdimensionales Puppenhaus. Inzwischen war die Sonne untergegangen, und
Aethel wartete geduldig, ob irgendwo ein Licht anging. Doch alles war still,
bis auf den einsetzenden Gesang der Zikaden.
Nachdem noch gestern Abend der Tod von Lord Richmond bekannt gegeben
worden war, hatte sie sich gleich heute früh in den Flieger gesetzt, um diesen
kurzfristigen Auftrag zu erledigen. Ihre Mutter fand ihr Verhalten unerhört und
war über die Kälte ihrer Tochter entsetzt, was Aethel noch weniger
interessierte als ein lästiger Mückenstich.
Wie überall, war auch jetzt der Einstieg wieder das reinste
Kinderspiel gewesen. Alte Fenster, keine Alarmanlage.
Sie nahm die abgestandene Luft der alten Räume in sich auf, als
würde es sich um das teuerste Parfum der Welt handeln, öffnete eine Flügeltür
nach der anderen und stellte sich vor, wie die französischen Herrschaften um
die vorletzte Jahrhundertwende durch die Räume gewandert waren.
Aethel leuchtete mit ihrer kleinen Stirnlampe jeden Winkel der Räume
ab, streifte Möbelstücke und Vitrinen. Doch nirgendwo konnte sie die Liebe der
Besitzer zu fremdartigen Kulturen entdecken. Hatte sie sich vielleicht dieses
Mal geirrt und war ins falsche Haus eingestiegen? Nach dem Rummel von gestern
Abend wäre es denkbar. Aethel ging die knarrenden Holztreppen in den zweiten
Stock hinauf und sah vor sich einen langen, düsteren Flur, von dem zahlreiche
Türen abgingen. Plötzlich überkam sie ein Gefühl, ein Gefühl der Angst, das ihr
die Luft zum Atmen nahm. Sie stand reglos da, starrte in die Dunkelheit und
spitzte die Ohren, wie ein Raubtier, das einen fremden Geruch wahrnimmt. Den
seines Jägers. Sie ging langsam weiter.
Die ersten beiden Türen waren verschlossen. Die dritte und vierte
führten zu zwei Zimmern, in denen jeweils alte Holzbetten, ein Schrank und eine
Spiegelkommode standen. Die leeren Kommoden wiesen darauf hin, dass es sich
hier wohl um reine Gästezimmer handelte, die nur gelegentlich bewohnt waren. An
den Wänden mit den geblümten Stofftapeten hingen trübe Landschaftsbilder und
Wandleuchter, in denen nur die nackten Glühbirnen steckten.
Aethel ging weiter und betrat einen Raum mit einem aufwendig
gelegten ParkettfuÃboden. An der einen Wand stand ein groÃes Bett mit einem
Himmel aus goldener Brokatseide, die Wände waren roséfarben gestrichen, der
Stuck an der Decke weià abgesetzt. Den Kamin zierten ein paar
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