Totenpfad
zweiundvierzigjährigen Michael Malone, der als Labortechniker an der North Norfolk University arbeitet.»
Großer Gott, dachte Ruth, sie wissen seinen Namen. Dann wird morgen ja die Hölle los sein.
Und so war es auch. Am Morgen wurde Ruth am Campustor aufgehalten und musste ihren Ausweis vorzeigen. Der Polizist, der sie daraufhin durchwinkte, empfahl ihr, den Fachbereich Chemie großräumig zu umfahren. Das weckte natürlich erst recht ihre Neugier, und sie fuhr direkt hin, nur um festzustellen, dass die Zufahrt komplett von Autos und Ü-Wagen blockiert war. Es war sogar ein Toilettenhäuschen aufgestellt worden. Kamerateams flitzten hin und her und schwenkten ihre pelzigen Mikrofone, und jeder, der das Gebäude betrat, wurde sofort mit Fragen bombardiert. «Kennen Sie Michael Malone? Wie ist er? Was für ein …?» Ruth glaubte, französische und italienische Wortfetzen aufzuschnappen, dazwischen sogar einen amerikanischen Akzent. Hastig flüchtete sie in die Archäologie, wo es vergleichsweise ruhig zuging.
Eine Stunde später war dann Erik aufgetaucht, mit zornig funkelnden Augen und wehendem weißem Haar.
«Weißt du, was passiert ist? Weißt du, was passiert ist?»
«Ja.»
«Und was gedenkst du jetzt zu unternehmen?»
«Ich? Was kann ich denn da machen?»
«Du bist doch mit diesem Barbaren von Polizisten befreundet, oder nicht?»
«Befreundet ist das falsche Wort …»
Eriks Augen verengten sich zu Schlitzen. «Da erzählt mir Cathbad aber was anderes. Er sagt, ihr wärt gemeinsam angerückt, um ihn zu verhören, du und Nelson. Ein Herz und eine Seele. Und er sagt, es hätte spürbar geknistert zwischen euch.»
«Bullshit.» Unwillkürlich verwendet Ruth Nelsons Lieblingsausdruck.
Doch Erik scheint sie gar nicht gehört zu haben. «Es liegt doch auf der Hand, dass dieser Nelson einen Sündenbock braucht. Und du, Ruth, du hast ihm Cathbad serviert. Auf dem Silbertablett.»
Diese ungerechte Unterstellung nimmt Ruth dann doch den Atem. «Das ist doch gar nicht wahr! Ich habe dich gefragt, ob du dich noch an seinen Namen erinnerst. Und du hast ihn mir gesagt.»
«Aber nicht, damit du ihn gleich an Nelson weiterplapperst.»
«Der hatte das doch längst allein herausgefunden.»
«Ach ja? Mir scheint er ja nicht gerade zu geistigen Höchstleistungen fähig zu sein. Nein, er hat dich benutzt, um an Cathbad ranzukommen. Er hat dich benutzt, Ruth.»
«Und was, wenn Cathbad es nun doch getan hat?», entgegnet Ruth verärgert. «Willst du denn nicht auch, dass der Mörder gefasst wird?»
Erik lächelt sie mitleidig an. «Ach, Ruth. Er hat dich richtig eingewickelt, was? Du fängst ja schon an, genauso zu denken wie dieser Polizist.»
Das ist jetzt eine Stunde her, und Ruth und Erik kreisen immer noch hartnäckig um dasselbe Thema. Ruth ist wütend, weil Erik sie für so leichtgläubig und einfältig hält, dass sie sich von dem skrupellosen Nelson dazu missbrauchen lässt, Cathbad einen Mord anzuhängen. Doch insgeheim fühlt sie sich tatsächlich ein wenig schuldig. Immerhin hat sie Nelson ja erst auf Cathbad gebracht. Sie hat ihm von dem Henge erzählt und von der Ausgrabung vor zehn Jahren. Selbst wenn Cathbad unschuldig ist, kann die Sache ihm doch das Leben ruinieren. Möglicherweise wird er sogar zu einer Haftstrafe für ein Verbrechen verurteilt,das er gar nicht begangen hat. Aber was, wenn er es doch getan hat?
«Ich weiß doch auch nicht, was da vorgeht», beharrt sie.
Erik mustert sie aus kalten, blauen Augen. «Dann finde es mal heraus, Ruthie.»
Und gerade als Ruth zu der Überzeugung gelangt ist, dass es schlimmer nicht mehr werden kann, steckt Phil den Kopf zur Tür herein.
«Ich wollte doch mal nach dem Rechten sehen, es ist ja einigermaßen laut hier. Erik, wie geht’s denn immer?» Er streckt ihm die Hand hin, und nach kurzem Zögern ergreift Erik sie.
«Gut, wenn man davon absieht, dass ein Unschuldiger im Gefängnis sitzt.»
«Ach ja, dieser arme Teufel aus dem Fachbereich Chemie. Kennst du ihn?»
«Ja. Ein ehemaliger Student von mir.»
«Nein!» Phils Augen werden groß und rund vor Erstaunen. «Dann ist er also Archäologe?»
«Er hat in Manchester bei mir studiert.»
«Wie ist er denn bloß in diesen Schlamassel geraten?»
Erik deutet auf Ruth, die immer noch am Schreibtisch sitzt. «Das musst du Ruth fragen.»
«Hängst du in dieser Sache etwa auch mit drin, Ruth?»
«Du weißt doch, dass ich bei den Ermittlungen helfe.»
«Aber doch nur bei den Knochen,
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