Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
sich ab.
Wieder auf dem Anlegesteg steckte sich Anna eine Zigarette an und zog ihre Wollmütze tiefer in die Stirn. Sie betrachtete die Reihe der sanft schaukelnden Hausboote vor sich und fragte sich, warum es oftmals gerade besonders friedlich wirkende Orte waren, an denen derart grausame Verbrechen wie der Mord an Amanda Meinhardt geschahen.
»Manchmal haben wir wirklich einen Scheißjob, Anna«, hörte sie Weber neben sich sagen.
»Ja, aber ich will, dass der Kerl, wer immer er sein mag, seine perversen Fantasien zum allerletzten Mal ausgelebt hat. Ich informiere jetzt Sibelius, damit er die Fahndung nach Amanda Meinhardt abbricht.«
»Tun Sie das, und sagen Sie auch Verena Mendelson Bescheid. Sie soll auf dem schnellsten Weg hierherkommen, um die Leitung der Spurensicherung zu übernehmen. Und während wir auf die Kollegen warten, befragen wir noch einmal die Bootseigner. Vielleicht hat einer von ihnen in den vergangenen Tagen ja doch irgendeine Beobachtung in der Nähe der Hausboote gemacht.«
Anna drückte ihre Zigarette auf dem Boden aus und begann die Befragung umgehend mit August Holthusen,
dem Wortführer der Bootseigner. Doch bereits nach seinen ersten Sätzen unterbrach sie ihn wieder. »Einen Moment bitte«, winkte sie Weber zu sich heran. »Seien Sie doch so nett, und wiederholen Sie noch einmal, was sich am vergangenen Mittwoch auf dem Hausboot der Familie Fuchs ereignet hat, Herr Holthusen.«
»Wie schon gesagt, letzten Mittwoch habe ich auf meinem Boot nach dem Rechten gesehen. Ich mache das in regelmäßigen Abständen, schließlich kann man nie wissen, ob nicht irgendein Penner auf die Idee kommt, sein Nachtlager auf unserem Boot aufzuschlagen. Man muss hier ständig Präsenz zeigen, um das zu verhindern. Bei dieser Gelegenheit überprüfe ich auch immer kurz das Boot von Ursel und Heinz mit, und am vergangenen Mittwoch hatte ich dort ein nettes Gespräch mit einem Mann, der sich für das Boot von den Fuchsens interessiert hat.«
»Das heißt, ein Ihnen unbekannter Mann hat sich auf dem Boot zu schaffen gemacht? Und was heißt nett?«, fragte Weber nach.
»Nun ja, im ersten Moment habe ich einen ordentlichen Schrecken bekommen, als ich hörte, dass jemand nebenan herumstreunt und das Boot betritt. Ich habe sogar überlegt, die Polizei zu rufen, hatte aber mein Handy nicht dabei. Daher bin ich rausgegangen und habe den Mann zur Rede gestellt.«
»Und, wie hat er reagiert? Konnte der Mann eine schlüssige Begründung für seine Anwesenheit vorbringen?«
»Er erzählte mir, dass er mit dem Gedanken spiele, sich selbst ein Hausboot zuzulegen, und da ihm Heinz’
Kahn gefalle, hätte er nicht widerstehen können, einmal von außen in die Kajüte hineinzuschauen. Dabei wirkte er ausgesprochen freundlich und auch ein bisschen verlegen, weil ich ihn beim Betreten fremden Eigentums erwischt hatte. Hinterher haben wir noch einen Moment miteinander geplaudert, und ich muss sagen, er war wirklich sehr sympathisch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er zu irgendwelchen krummen Sachen fähig ist, was auch immer Sie in der Kajüte von Fuchs gefunden haben. Haben Sie denn überhaupt etwas gefunden?«
»Konnten Sie den Mann noch ein weiteres Mal beobachten? Ist er vielleicht am Donnerstag oder Freitag noch einmal aufgetaucht? Möglicherweise sogar in Begleitung einer Frau?«
»Wieso, ich verstehe Ihre Fragen nicht, Herr Kommissar. Oder geht es hier etwa um den Verrückten, der durch Hamburg zieht und Frauen umbringt? Soll das heißen, dass in Fuchs’ Kajüte eine Tote liegt?«
»Ja, das ist zutreffend, Herr Holthusen. Das Boot Ihres Bekannten ist der Tatort eines Gewaltverbrechens«, bestätigte Anna. »Versuchen Sie sich deshalb bitte möglichst genau an den Mann zu erinnern. Wie hat er ausgesehen?«
»Er war groß und schlank und so um die vierzig, würde ich meinen. Ach ja, und er hat sich mir sogar vorgestellt, er sagte, er hieße Max Meinhardt, Frau Kommissarin, aber das ist wohl nicht sein richtiger Name gewesen.«
Anna schluckte, bevor sie ihre nächste Frage stellte.
»Welche Haarfarbe hatte der Mann? Gab es irgendwelche Besonderheiten in seinem äußeren Erscheinungsbild?«
»Er hatte längeres, dunkles Haar, das er sich mit Pomade oder etwas Ähnlichem aus dem Gesicht gekämmt hatte. Und er trug eine Brille, außerdem hatte er offensichtlich vergessen, sich am Morgen zu rasieren.«
»Gut, Herr Holthusen, Sie scheinen ein guter Beobachter zu sein, das sind schon eine ganze Menge
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