Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
wir Ihnen für heute, und denken Sie alle bitte noch einmal in Ruhe nach. Vielleicht fällt Ihnen nachträglich ja noch etwas ein«, verabschiedete sich Weber und drückte Mario Testa eine seiner Visitenkarten in die Hand.
Auf dem Parkplatz des Präsidiums stieg Weber in seinen Audi und verabschiedete sich mit den Worten »Einen schönen Abend noch und bis morgen« von seiner Kollegin.
»Ihnen auch, Weber, ich gehe im Büro noch etwas nachschauen.«
Während Anna durch die leeren Flure zu ihrer Abteilung ging, dachte sie noch einmal über die Beobachtung des Küchengehilfen aus dem »Ristorante di Porto« nach.
Jan Blödorn hatte einen Lichtschimmer auf dem Hausboot gesehen. Anna stellte sich Amanda Meinhardt bei Kerzenlicht vor und wie sie vielleicht sogar genau in dem Moment, in dem der Zeuge zu ihrem Boot hinübergesehen hatte, im Überschwang ihrer Gefühle geglaubt hatte, dass etwas Außergewöhnliches für sie beginnen könnte. Dass sie endlich eine neue Liebe gefunden hatte, einen Mann, mit dem zusammen ihr das Leben wieder Spaß machen würde.
Was aber war dann passiert? Hatte sich der Traumprinz von einer Sekunde zur nächsten auf Amanda gestürzt und in das Monster verwandelt, das er war, oder hatte es eine zu Anfang kaum merkliche Veränderung
in seinem Verhalten gegeben? Und was hatte es mit den Melonenresten auf sich, die überall auf dem Fußboden und der Schlafcouch verstreut gewesen waren? Hatten sie gemeinsam davon gegessen, oder war die Frucht während eines Kampfes heruntergefallen?
An ihrem Schreibtisch angekommen beugte sich Anna über die Kiste, in der Amanda Meinhardts persönliche Dinge aufbewahrt waren. Erneut nahm sie die Filme und CDs aus ihr heraus. Dann setzte sie sich eine Kanne starken Kaffee auf und rief, während das heiße Wasser durch den Filter lief, kurz zu Hause an.
Es klingelte mindestens zehnmal, bevor sich Bens verschlafene Stimme am anderen Ende der Leitung meldete.
»Ist dein Vater nicht da?«, fragte Anna. »Ich wollte nur eben Bescheid sagen, dass es heute spät wird.«
»Ist gut, wir kommen schon alleine klar. Henry ist ja auch noch da.«
»Weißt du denn wenigstens, wo dein Vater steckt?«
»Ich nehme an, im Auto, er hat morgen früh irgendeinen Termin, wollte aber schon heute Abend ankommen. Ich habe aber vergessen, wo. Papa hat dir doch eine SMS geschrieben, oder nicht?«
»Schlaf schön, mein Großer. Und wenn etwas sein sollte, kannst du mich jederzeit übers Handy erreichen, in Ordnung?«
»Klar, Mum, mach dir keine Sorgen. Gute Nacht.«
Nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte, zog Anna ihr Handy aus der Tasche, das sie während der Befragung auf stumm geschaltet hatte. Sie überflog Toms SMS, mit der er sie über seine vorgezogene Fahrt informierte,
und schickte ihm anschließend einen kurzen Gruß zurück.
Die Füße auf den Schreibtisch gelegt, öffnete die Kommissarin die auf dem Filmstapel zuoberst liegende Hülle. Sie untersuchte deren Beilage und legte die DVD dann in das Abspielgerät ein. Sie sah die Anfangsszene von »Casablanca« und die Weltkugel, danach drückte sie die Stopptaste und legte den nächsten Film ein. Während sie mit einem Auge den Beginn von »Dr. Schiwago« verfolgte, durchstöberte sie nebenbei die CD-Sammlung. »Neues von Pettersson und Findus« hieß ein Computerlernspiel für Kinder, das Anna zwar nicht kannte, aber »Pettersson und Findus« waren ihr natürlich ein Begriff. Wie oft hatte sie früher ihren Jungen aus einem von Sven Nordqvists Kinderbüchern vorgelesen! Anna schaltete den DVD-Spieler aus und startete ihren Computer, schließlich hatte sie sich vorgenommen, nicht eher nach Hause zu fahren, bevor sie nicht jede einzelne CD und jede Verpackung auf mögliche Hinweise untersucht hatte. Warum sollte sie zwischendurch aber nicht auch ein wenig Spaß haben? Voller Vorfreude legte sie die selbst gebrannte CD in das Laufwerk und stockte, als statt eines Computerspiels ein Word-Dokument auf ihrem Bildschirm erschien.
Anna las:
Hallo Helena,
mir gefällt Dein Gesicht. Ich könnte mir gut vorstellen, nein, ich bin mir fast sicher, dass es zu einer ziemlich klugen und äußerst sympathischen Frau
gehört. Aber jetzt mal ernsthaft, liebe Helena: Willst Du tatsächlich schon wieder fremde Männer dazu bringen, sich wegen Dir in Kämpfe zu verstricken? Oder was fängst Du sonst mit Deinem Leben an?
Fragt sich
Cornelius.
Hallo Cornelius,
freut mich, dass ich Dir gefalle. Aber warum soll ich denn Männer
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