Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
um einen Raubmord handeln könnte. Ja, möglicherweise haben wir es hier mit einem ganz gerissenen Kerl zu tun, Weber. Mit einem Täter, der die arme Frau postum verstümmelt hat, um uns auf eine falsche Fährte zu locken.«
»Wir werden sehen, aber wenn man bedenkt, wie brutal der Täter Frau Jacobsen misshandelt hat, sieht mir das doch eher nach einem Sexualdelikt aus. Sobald wir hier fertig sind, liefern wir den Laptop in der Dienststelle ab, schließlich haben wir noch immer nichts gefunden, was die Geschichte von Sabine Hofrath erhärtet. Aber hier drin«, Weber tippte auf den Computer, »könnte der entscheidende Hinweis auf das Tatmotiv sein.«
Mit diesen Worten wandte sich Weber um und ging, gefolgt von Anna, wieder in das Erdgeschoss hinunter, wo Malte Jacobsen mittlerweile an seinem Schreibtisch saß und telefonierte.
»Einen Moment, bitte«, nickte er Anna und Weber zu, um sich gleich darauf mit einem fragenden Blick auf den Laptop unter Webers Arm von seinem Gesprächspartner zu verabschieden.
»Wir würden den Computer Ihrer Frau gern an uns nehmen, um ihn von unseren Spezialisten prüfen zu lassen, Herr Jacobsen«, kam Weber dem Makler zuvor.
»Natürlich, nehmen Sie ihn nur mit. Haben Sie sonst noch etwas von Bedeutung in Monikas Zimmer gefunden?«
»Halten Sie es für möglich, dass Ihre Frau am Tatabend ohne eine Handtasche aus dem Haus gegangen sein könnte?«, fragte Anna unvermittelt dazwischen.
»Ganz sicher nicht. Monika ist ja nicht einmal zum Einkaufen gefahren, ohne ihre riesengroße, schwarze Ledertasche mitzuschleppen. Ich habe sie oft damit aufgezogen«, erinnerte sich Malte Jacobsen traurig. »Warum fragen Sie?«
»Nun, weil Ihre Frau kaum etwas bei sich hatte, als sie tot aufgefunden wurde.«
»Dann ist es vielleicht doch ein Raubmord gewesen«, überlegte der Makler.
»Dagegen spricht die Tatsache, dass sie ihre Brieftasche mit jeder Menge Bargeld noch in der Manteltasche hatte«, entgegnete Anna. »Haben Sie eigentlich noch das gemeinsame Schlafzimmer genutzt?«
»Nein, nur in den ersten Jahren unserer Ehe, aber nach der Geburt von Toni und Lena und besonders seitdem die Kleine oft mitten in der Nacht aufgewacht ist und dann nur noch geschrien hat, mussten wir eine andere Lösung finden. Ich bin viel unterwegs und habe einen anstrengenden Beruf. Da ist es absolut notwendig, dass ich zumindest nachts zur Ruhe komme.«
»Wo hat Ihre Frau eigentlich die Unterlagen aus ihrer Zeit als Steuerberaterin aufbewahrt? Haben Sie sie vielleicht hier im Haus in einem Kellerraum gelagert?«
»Nein, aber ich habe ein paar Regale in einem Abstellraum meines Büros für sie freigeräumt. Schließlich gehört das Kapitel von Monis Berufstätigkeit seit der Geburt unseres Sohnes der Vergangenheit an. Wir wollten die Akten daher nicht länger bei uns zu Hause aufbewahren.«
»Wenn es Ihnen recht ist, lassen wir die Akten sofort aus Ihrem Büro zur Untersuchung abholen«, schlug Anna vor, woraufhin der Makler zustimmend nickte.
»Besitzt Ihre Frau eigentlich einen Terminkalender?«, übernahm Weber.
»Selbstverständlich, normalerweise müsste er auf Monis Schreibtisch liegen.«
»Dort liegt er aber nicht. Auch haben wir keinerlei private Korrespondenz im Zimmer Ihrer Frau finden können.«
Der Makler sah den Kommissar verständnislos an.
»So etwas wie Geburtstagseinladungen oder Urlaubspostkarten?«, spezifizierte er Webers Frage. »Nein, solcher Kram wird bei uns nicht aufbewahrt, sonst bräuchten wir dafür noch ein Extrazimmer in unserem Haus. Sie glauben gar nicht, wie viel überflüssiges Papier sich im Laufe eines Jahres in einer vierköpfigen Familie ansammelt.«
»Gut, dann danken wir Ihnen für heute erst einmal«, verabschiedete sich Anna Greve. »Und falls Sie in der nächsten Zeit noch einmal verreisen müssen, setzen Sie uns bitte in jedem Fall vorher umgehend davon in Kenntnis«, fügte sie an, bevor sie zusammen mit ihrem Kollegen das Haus verließ.
»Ich kann Malte Jacobsens Plädoyer für getrennte Schlafzimmer absolut verstehen, Anna«, begann Weber, nachdem sie das Jacobsen’sche Anwesen verlassen hatten. »Schließlich ist es bei Rita und mir auch nicht viel anders gewesen, nachdem Johannes geboren war. Sehen Sie das etwa anders, oder warum waren Sie vorhin plötzlich so streng mit ihm?«
»Ach was, darum geht es doch gar nicht«, gab Anna zurück. »Ich frage mich nur, warum Malte Jacobsen bisher noch nie danach gefragt hat, wie seine Frau gestorben ist.
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