Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
Es ist doch ungewöhnlich, dass er so gar nichts darüber wissen will, es sei denn, er weiß über die brutalen Tatumstände bereits Bescheid.«
»Da könnte etwas dran sein, Anna.«
»Überhaupt glaube ich langsam ein Gefühl dafür zu bekommen, warum Monika Jacobsen all diese Kitschgeschichten gelesen und sogar versucht hat, sie mit einem anderen Mann Wirklichkeit werden zu lassen«, fuhr sie fort. »Auch frage ich mich, weshalb sie ihre Tätigkeit als Steuerberaterin komplett aufgegeben hat. Jedenfalls scheint es bei den Jacobsens nicht wirklich liebevoll zugegangen zu sein, Weber. Da ist der erfolgreiche, aber meist abwesende Gatte, der, wenn er tatsächlich einmal zu Hause ist, nicht gerade vor Aufmerksamkeit und Sinnlichkeit übersprudelt. Dazu ein Alltag ohne jegliche berufliche Bestätigung, zwei kleine Kinder am Rockzipfel und ein großes Haus, das in Ordnung gehalten werden muss. Ich würde mich daher nicht wundern, wenn die Kollegen in den Computerdateien von Monika Jacobsen etwas finden, was uns den Beweis für die Existenz des geheimnisvollen ›Adam‹ liefert.«
»Nun, ganz so negativ, wie Sie ihn darstellen, ist Malte Jacobsen nun auch wieder nicht. Immerhin hat er seiner Frau den Freiraum gelassen zu tun und zu lassen, was sie will. Denken Sie nur an unseren ersten gemeinsamen Fall mit diesem Alfred Lüdersen und erinnern sich daran, wie wenig einfühlsam der mit seiner Frau umgegangen ist.«
»Was soll das heißen, Weber? Glauben Sie wirklich, dass das tägliche Elend von Frau Jacobsen dadurch geringer wird, dass es bei anderen Leuten noch trostloser zugeht? Nein, was Sie da sagen, ist doch ausgemachter Blödsinn! So, und jetzt klappern wir die Lokale ab, kommen Sie, mit dem ›Strandweg‹ fangen wir an.«
»Können Sie sich diese Sache hier bitte so bald wie möglich ansehen?«, versuchte Bettina Husemann ihren neuen Kollegen bemüht liebenswürdig zu motivieren.
»Selbstredend, schöne Frau. Für Sie mache ich das doch gerne.«
Er lächelte einnehmend, und seine Augen blitzten verschwörerisch, doch während er mit ihr flirtete, gingen ihm Gedanken durch den Kopf, die alles andere als freundlich waren.
Blöde Fotze, dachte er, als sie sich endlich umdrehte und sein Büro verließ. Ja, schieb bloß ab mit deinem dicken Arsch, den sowieso kein Mann, der einigermaßen bei Verstand ist, jemals anfassen wird. Missmutig starrte er auf den riesigen Stapel Akten in seiner Ablage, dem die Kollegin soeben noch ein weiteres Exemplar hinzugefügt hatte. Er wickelte ein Kaugummi mit Pfefferminzgeschmack aus, schob es sich in den Mund und schmiss das zu einer kleinen Kugel geknetete Stanniolpapier in den Mülleimer.
Ja, er wusste, wenn er wollte, konnte er jede haben. Weiber sind so leicht zu durchschauen, dachte er. Du brauchst sie nur anzupieksen, und schon fangen sie zu reden an. Kehren ihr Innerstes nach außen und reiten sich dabei mit jedem Satz weiter in die Scheiße. Wenn
es nicht so ärgerlich wäre, könnten sie einem fast leidtun. Sehen aus wie der Fettarsch eben, haben aber Ansprüche an uns Männer, dass man es kaum fassen kann. Dabei sind doch wir diejenigen, die im Nachhinein alles ausbaden und ihnen schöntun müssen, wenn wir überhaupt nur in die Nähe eines Ficks kommen wollen. Denn eine verzerrte Wahrnehmung ihrer selbst führt die Weiber dazu, sich einzubilden, sie könnten tatsächlich einen Mann an Land ziehen, der aussieht wie Richard Gere in seinen besten Zeiten und ein Seelenleben mindestens so weise und spannend wie das des Dalai Lama hat. Labern von Seelenverwandtschaft, Sehnsucht und Romantik, um es sich gleich danach im ausgeleierten Jogginganzug und mit Gurkenmaske im Gesicht vor der Glotze bequem zu machen, weil sie unbedingt ihre Lieblingssoap gucken müssen. Versuche dann einmal, an einen Fick zu kommen. Dann gibt es Gezeter, Gejammer, Geschrei, im besten Fall genervte Blicke. Nein, es ist wirklich nicht weit her mit der viel zitierten Romantik der Weiber.
Doch du kannst sie packen, wenn du erst einmal ihr Geheimnis kennst. Du musst nur in Erfahrung bringen, wonach sie sich sehnen, und ihre Vorlieben nach und nach herausbekommen. Sich dabei als Künstler auszugeben klappt fast immer, aber noch besser ist es, sich als erfolgreichen Künstler zu präsentieren. Schneller, als du gucken kannst, bist du plötzlich ihr Traumprinz und musst höllisch aufpassen, dich dabei nicht auch noch in eines dieser weich gepolsterten Fleischstücke zu vergucken. Denn wenn sie erst
Weitere Kostenlose Bücher