Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
dich ja vielleicht in meiner Firma oder bei einem Bekannten unterbringen. Am Anfang wirst du nicht sehr viel verdienen, aber du wirst immerhin dein eigenes Geld in der Tasche haben.«
»Gelernt habe ich außer Cello zu spielen nichts, aber ich kenne mich ganz gut mit Computer und Textverarbeitung aus. Tippen kann ich auch recht schnell, solange nicht von mir erwartet wird, dass ich es mit zehn Fingern mache«, ließ sich Amanda, um ihre Freundin nicht zu kränken, halbherzig auf das Gespräch über ihre beruflichen Perspektiven ein. Doch als Doris weitere Details über ihre Fähigkeiten erfragte, hörte ihr Amanda nur noch mit halbem Ohr zu. Gedanklich war sie schon wieder bei Cornelius.
Eigentlich war seine Erklärung, weshalb er sie versetzt hatte, ziemlich plausibel. Auch würde ein einziger Blick auf Cornelius’ linkes Bein ausreichen, um zu überprüfen, ob er die Wahrheit gesagt hatte oder nicht.
Und zu guter Letzt hatte Amanda schon lange keine klassische Musik mehr gehört, und in der Oper war sie ebenfalls seit Jahren nicht mehr gewesen. Schließlich konnte Max das »Geklimper und Gewimmer«, wie er es nannte, nicht ausstehen. Ja, es würde wunderbar sein, sich mit ihrem Liebsten über Musik auszutauschen und mit ihm gemeinsam die Staatsoper zu besuchen. Doch sollte sie sich wirklich von einem Mann, der sie bisher nur an der Nase herumgeführt hatte, an einen unbekannten Ort entführen lassen?
»Danke dir für deine Geduld und Unterstützung, Doris«, unterbrach Amanda den nicht enden wollenden Wortfluss ihrer Freundin. »Ich werde mir Gedanken machen, wie es in Zukunft finanziell mit mir weitergehen soll. Du hast bestimmt Recht damit, dass ich mir eine Strategie überlegen muss, aber bisher hat mir Max den Geldhahn noch nicht zugedreht. Und ich gebe dir in jedem Fall Bescheid, falls ich mich noch einmal mit Cornelius treffe«, fügte Amanda im Hinausgehen noch hinzu und ließ ihre Freundin völlig perplex zurück.
»Meine Güte, sieht der attraktiv aus«, ging es Anna durch den Kopf, als sie Marc Hellweg gegen einundzwanzig Uhr mit dunklem Anzug und offenem weißem Hemd unter einem grauen Wollmantel auf der anderen Straßenseite der Rothenbaumchaussee auf sich zukommen sah. Anna betrachtete die klassizistische Fassade des
Curiohauses, in dem in den zwanziger Jahren so manches Faschingsfest gefeiert worden war, und fand, dass, wäre dies eine private Verabredung gewesen, der Rahmen dafür nicht besser hätte gewählt werden können. Als Anna an ihre Bluse und die braune Cordhose dachte, bedauerte sie ein wenig, sich im Unterschied zu ihrem Kollegen Hellweg kein bisschen feingemacht zu haben.
Doch Marc Hellweg beruhigte sie wenig später mit einem »Klasse siehst du aus, Anna«, als sie kurz darauf im unteren Stockwerk des Curiohauses ihre Mäntel an der Garderobe abgaben. Anschließend folgten sie dem Strom der anderen Besucher an die Bar.
»Was möchtest du trinken?«, fragte Marc Hellweg. »Irgendwie habe ich seit dem Mittagessen so ein ganz merkwürdiges Gefühl in der Magengegend. Und wenn ich nur an die Aioli denke, die ich vorhin noch gegessen habe, wird mir ganz schlecht. Aber ich denke, ein Gläschen Sekt wird mir trotzdem nicht schaden. Was meinst du, soll ich dir eins mitbringen?«
Anna nickte zustimmend.
Mit ihrem Glas Sekt in der Hand ging sie wenig später die Treppe in den ersten Stock hinauf und trat an die Balustrade des offenen Treppenhauses, von wo aus sie einen guten Überblick über den darunterliegenden, kleinen Saal hatte. Dort fing die Band gerade zu spielen an, und die Tanzfläche begann sich sofort zu füllen.
Anna zählte an die dreißig Paare, wobei ihr ein dunkelhaariger, schlanker Mann, der eine ebenso attraktive Blondine aufgefordert hatte, besonders auffiel. Er sah nicht nur gut aus, sondern bewegte sich auch sehr gut. Außerdem besaß er ein sympathisches Lächeln, das, wie
Anna beobachtete, seiner Tanzpartnerin ebenfalls zu gefallen schien. Sie löste ihren Blick von den beiden und ließ ihn weiter umherschweifen. Anna musterte die Frauen und Männer, die teilweise sehr eng miteinander tanzten, obwohl sich viele von ihnen erst wenige Minuten zuvor kennengelernt hatten. Unwillkürlich kam ihr ein Satz in den Sinn, den sie irgendwann einmal gehört hatte.
»Tanzen ist die Möglichkeit, Grenzen zu überschreiten, ohne Grenzen zu verletzen.«
»Darf ich bitten?«, unterbrach Marc Hellweg ihre Gedanken. »Ich könnte mir vorstellen, dass wir beide ganz passabel
Weitere Kostenlose Bücher