Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
die Sache selbst erzählen.«
»Ja, ich bin dem Hinweis über Frau Blochs Begeisterung für das Tanzen nachgegangen«, begann Kriminalhauptmeister Haberland stockend, »und habe recherchiert, dass sie regelmäßig Tanzveranstaltungen im Curiohaus besucht hat. Eine ehemalige Arbeitskollegin, die Frau Bloch ab und an zu einem Salsaabend begleitet hat, gab mir den Tipp, mich einmal vor Ort umzuschauen. Sie meinte, dass es bei diesen Veranstaltungen nicht nur ums Tanzen geht, sondern auch um erste, diskrete Kontaktanbahnungen.«
»Dann sollten wir uns das Curiohaus wirklich einmal genauer ansehen, was meinen Sie?«, schlug Verena Mendelson mit einem fragenden Blick in die Runde vor. »Ich stelle mich freiwillig für eine Recherche vor Ort zur Verfügung.«
»Falls es tatsächlich nötig ist, wird sich der Kollege Haberland an Ort und Stelle umsehen«, entgegnete Günther Sibelius. »Auch denke ich, dass wir keinesfalls selbst das Tanzbein schwingen müssen, um mit unseren Ermittlungen voranzukommen«, fügte er augenzwinkernd an. »Gibt es sonst noch etwas Neues, Herr Haberland?«
»Allerdings, denn soweit es das Tanzen betrifft, hat sich tatsächlich eine Parallele zwischen den Mordopfern aufgetan«, setzte der junge Assistent seinen Bericht fort.
»Frau Jacobsen ist wie Frau Bloch eine leidenschaftliche Tänzerin gewesen. Und da sich ihr Mann nach eigener Aussage nicht sehr für ihr Hobby begeistert hat, soll auch Monika Jacobsen von Zeit zu Zeit allein ins Curiohaus gegangen sein. Leider bin ich noch nicht dazugekommen, mich diesbezüglich in Frau Jacobsens Umfeld umzuhören.«
»Gut, in jedem Fall müssen wir dem Hinweis nachgehen, Kollegen«, entschied Günther Sibelius. »Wer weiß, vielleicht führt uns Monika Jacobsens Mailkontakt mit dem bisher nicht identifizierten Mann namens ›Adam‹ ja gar nicht zu ihrem Mörder, sondern zu einem ganz normalen Mann auf Partnersuche, während sich der wahre Täter seine beiden Opfer auf den Tanzveranstaltungen im Curiohaus ausgesucht hat.«
Sibelius nahm hierzu eine Aktennotiz ins Protokoll auf und schaute danach auffordernd zu Joachim Mettmann, dem Kriminalpsychologen, hinüber. Als dieser, anders als die Referenten vor ihm, von seinem Platz aufstand, um sich umständlich seine Lesebrille auf die Nase zu setzen, stieß Anna ihrem Kollegen Weber grinsend einen Ellbogen in die Rippen.
»Zum Täterprofil«, begann Joachim Mettmann. »Es handelt sich um einen Mann Mitte bis Ende dreißig ohne Migrationshintergrund.«
»Das soll wohl heißen, er ist Deutscher«, flüsterte Weber Anna Greve zu.
»Der Täter geht wahrscheinlich einer geregelten Arbeit nach, wofür die Tatzeiten am Abend und am Wochenende sprechen. Angesichts seiner ausgesprochen attraktiven Opfer hält er sich möglicherweise selbst für einen
außergewöhnlichen Menschen, er könnte also zur Selbstüberschätzung neigen. Wie wir durch Zeugenaussagen wissen, ist er äußerlich sehr attraktiv, seinem Wesen nach dagegen eher schüchtern und introvertiert. Zudem lassen die vaginalen Verstümmelungen der Opfer auf erhebliche sexuelle Probleme schließen. Möglicherweise ist er in seiner Kindheit selbst einmal Opfer sexuellen Missbrauchs gewesen. In keinem Fall glaube ich, dass der Täter die Frauen im direkten Vergleich mit anderen Männern, also beispielsweise auf einer Tanzveranstaltung, kennengelernt hat. Dafür sind seine sozialen Ängste viel zu groß.«
»Also suchen wir einen verklemmten Psychopaten mit Potenzstörungen, der Frauen hasst, aber trotzdem etwas an sich hat, das die Opfer in seinen Bann zieht«, gab Anna zu bedenken. »Immerhin hat Monika Jacobsen an der Elbe Champagner mit ihm getrunken, und Hannelore Bloch hat ihn sogar zu sich nach Hause eingeladen. Beide Frauen sind nicht mit Gewalt zum Tatort geschleppt worden, sondern haben sich freiwillig dorthin begeben.«
»Gerade deshalb spricht auch viel dafür, dass der Täter den ersten Kontakt zu seinen Opfern virtuell hergestellt und auf diese Weise die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass sich die Frauen mit ihm treffen wollten. Denken Sie nur an die Mailfragmente aus Monika Jacobsens Computer, die seine Wortgewandtheit wie auch seinen Charme belegen. Wenn es dann allerdings zur realen Begegnung kommt, hat er ein Problem.«
»Aber wie Herr Sibelius vorhin zu Recht betont hat, gibt es bisher noch keinen Beweis dafür, dass es sich
beim Verfasser der Mails und dem Täter um ein und dieselbe Person handelt«, widersprach Anna dem
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