Totenprinz - Westendorf, C: Totenprinz
kaum mehr etwas zu verlieren, vielleicht aber etwas zu gewinnen.
Amanda bezwang ihren Stolz und schrieb:
In Ordnung, Du bekommst Deine zweite Chance.
Ich werde pünktlich da sein, und dann lassen wir den Abend auf uns zukommen… versprochen.
Freu mich auf Dich,
Helena.
»Doris, ich habe mich entschieden«, meinte Amanda wenig später im Haus ihrer Freundin. »Ich gebe Cornelius noch eine zweite Chance. Kannst du mir bitte ein weiteres Mal helfen?«
»Was macht dich denn plötzlich so sicher, dass eine weitere Verabredung mit ihm keine Zeitverschwendung ist?«
»Ein Mann mit einem solchen Lächeln kann einfach kein total mieser Typ sein.«
Doris verkniff sich ein Grinsen. »Also hast du endlich ein Foto von ihm bekommen?«, fragte sie. »Zeig mal her!«
»Ich habe es nicht ausgedruckt«, wich Amanda aus. »Das wäre mir allein schon wegen Max viel zu gefährlich gewesen.«
»Gut, dann beschreibe mir deinen Prinzen. Wie sieht er denn aus?«
»Cornelius ist ein echter Traummann, und sein Lächeln bringt mich komplett aus der Fassung.«
»In Ordnung«, raufte sich Doris die Haare, »ich merke schon, dass wir auf diese Art nicht weiterkommen. Was ich brauche, sind etwas konkretere Aussagen. Fakten, mit denen ich etwas anfangen kann, um mir ein Bild zu machen, comprende? Wie alt ist er ungefähr? Was für eine Statur hat er? Haarfarbe? Augenfarbe? Trägt er eine Brille oder einen Bart?«
»Cornelius ist um die vierzig, schlank, hat graugrüne Augen und volles dunkles Haar mit der einen oder anderen grauen Strähne darin. Ich glaube, er ist ein Mann, der dir direkt in die Augen schauen kann, ohne nervös zu werden oder deinem Blick auszuweichen. Er trägt keine Brille und keinen Bart, aber seine Größe kann ich nur schätzen, weil er auf den Fotos entweder sitzt oder nur bis zu den Schultern zu sehen ist. Ich denke, er wird so an die ein Meter achtzig groß sein, vielleicht auch ein paar Zentimeter mehr. Aber das Schönste ist, dass er weder blasse, trockene Haut hat wie Max noch Pickel, Narben oder sonstige Makel. Nein, in seinem Gesicht passt einfach alles zusammen«, lächelte Amanda verträumt. »Solltest du jetzt aber noch die Marke seiner
Unterhosen wissen wollen, muss ich dich auf später vertrösten.«
»In Ordnung, Amanda«, lenkte Doris lachend ein. »Ich werde dir noch einmal helfen, versprochen. Allerdings nur unter der Bedingung, dass du mir sagst, wann und wie ich dich übermorgen Abend erreichen kann.«
»Stell dir vor, Cornelius hat mich in die Staatsoper eingeladen. Sie führen Puccini auf, Madame Butterfly. Du weißt doch, dass das eine meiner Lieblingsopern ist, Doris. Was meinst du, ob er das irgendwie geahnt hat?«
»Meine Güte, Amanda, jetzt komm mal langsam wieder runter! Das ist doch nur Zufall, weiter nichts.« Kopfschüttelnd ging Doris in ihr Arbeitszimmer hinüber und fuhr den Computer hoch. »Jetzt wollen wir gleich einmal nachsehen, ob dich der Kerl nicht schon wieder an der Nase herumführt.«
»Siehst du, es stimmt«, rief Amanda mit einem Blick auf den Bildschirm, auf dem sich der aktuelle Spielplan der Hamburger Staatsoper mit der Vorankündigung für »Madame Butterfly« aufbaute. »Doris, diesmal habe ich wirklich ein gutes Gefühl.«
»Was dich jedoch nicht davon abhalten darf, vorsichtig an die Sache heranzugehen. Lass bitte auf jeden Fall dein Handy den ganzen Abend über eingeschaltet. Und ich will, dass du dich zwischendurch bei mir meldest, hörst du?«
»Kein Problem«, nahm Amanda ihre Freundin dankbar in den Arm. »Und falls es tatsächlich mit Cornelius klappen sollte, bist du die Erste, die ihn kennenlernen wird.«
»Gucken Sie sich das an, Anna«, deutete Weber in der Kantine auf Marc Hellweg und Verena Mendelson, die getrennt von den übrigen Kollegen an einem Zweiertisch saßen. »Sieht so aus, als würde sich die Mendelson mächtig ins Zeug legen, um den neuen Kollegen zu beeindrucken.«
»Na und? Gönnen Sie ihr um Gottes willen doch den Spaß, Weber. Oder sind Sie etwa eifersüchtig, dass Marc und nicht Sie selbst ganz oben in Verenas Gunst steht?«
»Ach woher denn?«, gab Weber kleinlaut zurück. »Also, guten Appetit.«
Sorgsam begann Anna, ihr Zitronenhähnchen zu zerteilen, während sie beobachtete, wie sich Marc Hellweg seinen am Tellerrand klebenden Kaugummi in den Mund schob und sich plötzlich von seinem Platz erhob.
»Hallo, Anna«, winkte er zu ihr herüber. »Habe jetzt leider überhaupt keine Zeit, aber nachher komme ich noch
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