Totenreigen
gegeben hat, mit
dem Ihr Sohn Probleme hatte … Gibt es jemanden, der in letzter Zeit in sein
Leben getreten sein könnte? Ich meine nicht unbedingt eine Frau, es könnte doch
auch ein Mann gewesen sein.«
»Das könnte der Mörder sein, meinen Sie?«
»Nein, aber es könnte eine Spur sein. Hat er sich in letzter Zeit
verändert? Denken Sie in den nächsten Tagen darüber nach.«
»Nein, da ist nichts. Aber … könnte es nicht auch eine Täterin
gewesen sein?«, fragte sie.
»Ist nicht ganz ausgeschlossen. Aber lassen Sie mich der Einfachheit
halber bei der männlichen Grammatik bleiben«, sagte Lüthje.
Sie lachte. »Sie meinen den männlichen Kasus Nominativ?«
»Sie sind Deutschlehrerin?«
»Ich war es. In einem anderen Leben. Aber ich bin selbst erstaunt,
wieso ich das noch weiß. Es war einfach da. Sie haben verstanden, was ich
meinte?«
»Dass ich mit Mörder auch eine Mörderin meine?«
»Richtig.«
»Sie haben also keinen Verdacht.«
»Nein, das trau ich keinem zu.« Sie versank wieder in leere
Nachdenklichkeit.
Was war Tablette und was war Wahrheit?, fragte sich Lüthje.
Wie kriegte er sie wieder an seinen roten Faden? Hatte sie überhaupt
die Tabletten in der Küche genommen? Oder war das nur Theater?
»Sie rufen mich doch sofort an, wenn Sie den Mörder gefunden
haben?«, sagte sie und sah ihn bittend mit großen Augen an.
»Natürlich. Allerdings wird das nicht so schnell gehen. Geben Sie
mir dann besser noch Ihre Handynummer«, sagte er, um ihren Blick loszuwerden.
Sie diktierte ihm die Nummer, und er speicherte sie in seinem Handy.
»Sie wissen, dass kurz nach dem Täter noch jemand im Haus war?«
Lüthje zog den Steckbrief aus dem Rucksack und gab ihn ihr.
»Vielleicht war es ein Kaufinteressent?« Sie überflog den
Steckbrief. »Ja, das kenne ich. Ich kann Ihnen aber nicht weiterhelfen.«
»Wer hat Ihnen von dem Steckbrief erzählt?«
»Meine ehemalige Nachbarin, Frau Klockemann, hat mich heute
angerufen und ihn mir vorgelesen. Ich fand das sehr nett von ihr.«
Ausgesprochen fürsorglich, diese Klockemann, dachte Lüthje.
»Sicher war das nett von ihr«, sagte Lüthje. »Und was sagte Frau
Klockemann noch?«
»Sie meinte, es könnte der Mörder gewesen sein.«
»Ach?«, machte Lüthje.
»Sie hatte so ein komisches Gefühl.«
»Hat sie ihr Gefühl näher beschrieben?«
»Na ja … Sie hat in einer Zeitung von Männern gelesen, die einfach
in Häuser gehen und sich ein Opfer suchen. Einfach so. Sagen Sie, stimmt das?
Gibt es so was?«
»Es gibt alles Mögliche. Deshalb ermitteln wir ja in alle
Richtungen. Das können Sie Frau Klockemann ruhig erzählen. Wohnen Sie allein
hier?«
»Ja. Wieso?«
»Es ist so ganz anders als in der Strandstraße. Aber auch so
weitläufig. Mit vielen Zimmern.«
»Ich bin aus dem Haus in Laboe geflohen. Ich wollte nach dieser Ehe
ein neues Leben anfangen. Ich hatte es fast geschafft. Und jetzt ist alles
wieder da. Durch Horsts Tod fühle ich mich wieder zurückgeworfen. Ich habe das
Gefühl, ich bin keinen Schritt weitergekommen. Entschuldigen Sie, was rede ich
da, das interessiert Sie doch gar nicht.« Sie zog die Beine hoch und kauerte
sich im Sessel zusammen.
»Haben Sie einen Käufer für das Haus gefunden?«, fragte Lüthje.
»Vielleicht. Das Haus hat eine gute Lage. Aber man wollte mich
abspeisen mit einem Almosen. Und hat mich zappeln lassen. Der Makler redete mir
zu. Aber ein Freund riet mir ab. Du musst Geduld haben, hat er gesagt. Was die
Käufer interessiert, ist nicht das Haus, sondern das Grundstück. Unverbaubarer
Seeblick, zwanzig Meter zum Strand. Dafür zahlen sie gern noch drauf. Er hat
recht gehabt. Ein zweiter Interessent hat sich gemeldet. Und siehe da, jetzt
überbieten sie sich gegenseitig. Bald sind sie da, wo ich sie haben will!« Sie
breitete die Arme aus. Ihre Augen leuchteten. »Außerdem habe ich einen Anwalt
beauftragt. Ich will im Strafprozess als Nebenklägerin auftreten. Ich sage das
nur, damit Sie Bescheid wissen.«
»Worüber?«
»Dass ich Ihnen alles sage, um den Mörder meines Sohnes zu finden.«
Plötzlich sah sie ihn einfach treuherzig an, als ob sie ihre Verwandlung in
eine eiskalte Geschäftsfrau ungeschehen machen wollte.
»Ich habe noch eine Frage zu Ihrem zweiten Mann«, sagte Lüthje.
»Stimmt es, dass Sie nach Ihrem Auszug aus dem Haus die beiden Hunde Ihres Mannes
haben töten lassen?«
»Mein Gott, diese Sache ist doch abgeschlossen, warum fangen Sie
davon an?«
»Ich muss mir ein
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