Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenruhe

Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jörg Hennecke
Vom Netzwerk:
Kriege und Katastrophen jeder anderen Art geißeln die Bibelfesten, von denen Zig-Millionen fest daran glauben, dass nach buchstabengetreuer Lesart der Heiligen Schrift die göttliche Schöpfung vor 6 000 Jahren stattfand. Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren ausgestorben? Da lachen die drüber. Vor 3 000 Jahren sind die Monster dort rumgerannt, glauben sie. In mancher Ecke der USA könne man noch Dino-Kacke riechen, vermutet diese tiefgläubige Bevölkerung der Südstaaten, wo Schusswaffen öffentlich getragen werden dürfen, Bierdosen jedoch nicht. Jedenfalls beginnen die Nordamerikaner an Gott zu zweifeln. In ihrer Verfassung steht, dass man gegen jedermann ohne Ansehen der Person einen Prozess anstrengen kann. Ernie Chambers, Senator aus dem Bundesstaat Nebraska, hat Nägel mit Köpfen gemacht. Wegen der ganzen Katastrophen klagt er vor dem Bezirksgericht von Omaha – gegen den lieben Gott.
    ›Unter den Geschädigten befinden sich Angehörige des Wahlkreises des Klägers, die zu vertreten Aufgabe des Klägers ist‹, findet Chambers, das alte Schlitzohr.« Der Pastor lachte lauthals.
    »Bei den Amerikanern muss man mit allem rechnen«, meinte Lindemann. »Hoffen wir also, dass Gott mit einer Bewährungsstrafe davonkommt, immerhin darf er doch auf mildernde Umstände angesichts guter Taten hoffen. Allerdings sollte er mit einer deftigen Geldbuße rechnen. Immerhin steht auf jedem Dollarschein: In God we trust.«
    Der Pastor nickte versöhnlich. »Inzwischen ist die erleichternde Meldung da. Das Verfahren wurde eingestellt. Begründung: Die Anklageschrift konnte nicht zugestellt werden, da Gottes Adresse unbekannt sei. Wie finden Sie das?«
    Lindemann wunderte sich. »Von wegen Gott ist überall. In Gottes eigenem Land ist er also nicht auffindbar.«
    Sauerbier wechselte das Thema, das er ohnehin nur als stimmungsvolle Einleitung gedacht hatte. Ihm lag viel mehr daran, seine Bürgerinitiative voranzutreiben.
    »Wir brauchen eine zündende Idee, um unsere Bürgerinitiative ganz groß in die Medien zu bringen. Da Sie nicht zu bewegen sind, die tolle fiktive Friedhofsgeschichte über Sie und Ihren Herrn Vater für den Lindenkurier freizugeben, dachte ich mir das so: Wir besorgen uns Urnen oder Urnenattrappen, falls es so etwas gibt. Himmelfahrt-Krause könnte uns da informieren. Und zu einem verabredeten Zeitpunkt treffen wir uns mit Spaten auf dem Friedhof und verbuddeln diese Urnen. Ich bin auf die langen Gesichter der Friedhofsverwaltung gespannt. Die springen im Sechseck. Wir machen das am Freitagvormittag, das ist ein guter Termin für die Presse.«
    »Und für die Polizei«, ergänzte Lindemann.
     

29.
     
    Urnenattrappen? So etwas gibt es nicht, wurde Sauerbier bei allen einschlägigen Adressen mitgeteilt. Selbst Justus Krause konnte nur echte Urnen besorgen, aber die würden einiges kosten …
    Sauerbier dachte nicht daran, wegen einiger Euro auf die Verwirklichung seiner grandiosen Idee zu verzichten. Er rief Werendt an und wollte ihn am liebsten durch das Telefon umarmen. »Keine Sorge um die Kosten«, erklärte der Mäzen, »die Rechnung geht an mich. Sagen Sie das dem Himmelfahrt.«
    Lindemann war im Dienst und auch Kilian hatte abgesagt, weil er Überstunden kloppen musste. Bei Cordes. Er wolle seinen guten Job nicht gefährden. »Sie arbeiten bei Cordes?« Sauerbier war überrascht, kannte er Kilian doch nur als Langzeit-Arbeitslosen. »Ja, seit zwei Monaten. Den Job habe ich Herrn Werendt zu verdanken.« Sieh mal an, dachte Sauerbier, der Wohltäter Werendt konnte mehr als Urnen beschaffen. Aber der sollte ja auch bei Cordes dick beteiligt sein. Kümmert sich sogar um so ein armes Schwein wie den Schützenbruder Kilian. Sauerbier war voller Hochachtung.
    Alles war gut organisiert, als die Bürgerinitiative am Freitag um 10 Uhr auf dem Berg anrückte. Das Friedhofstor war weit geöffnet, dennoch warteten alle auf das Eintreffen des Chefs, Pastor Sauerbier. Der hatte schon daheim seinen Talar übergestreift und war damit zu Fuß quer durch Linden geeilt. Es war eben sein großer Auftritt, das war unübersehbar. Er begann zu predigen.
    Zwei Reporter und ein Fotograf mischten sich unter die Menge. Der Fotograf ließ sich das Bild vom keuchenden Talarträger nicht entgehen. Sauerbier genoss die Situation. Er gab Himmelfahrt-Krause das Zeichen, die Urnen zu verteilen. Der hatte seinen ganzen Leichenwagen mit den Behältern vollgeladen. Einige Demonstranten hatten keinen Spaten dabei, doch Krause

Weitere Kostenlose Bücher