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Totenruhe - Bleikammer - Phantom

Totenruhe - Bleikammer - Phantom

Titel: Totenruhe - Bleikammer - Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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kommen“, antwortete Artur, und als Werner außer Hörweite war, fügte er hinzu: „Gemüseeintopf gab’s doch letzte Woche schon zweimal. Ekaterinis Speiseplan war auch schon mal aufregender.“ Melanie, die erst seit drei Tagen wieder auf Falkengrund weilte, hob die Augenbrauen.
    Sie gingen nach unten. Die anderen Studenten waren noch nicht eingetroffen. Nur der stets hungrige Michael Löwe saß auf seinem Platz und schien es kaum mehr erwarten zu können. „Irgendwann“, flüsterte Melanie in Arturs Ohr, „werden wir Zeugen werden, wie er das Besteck aufisst.“ Georg, der heute Küchendienst hatte, deckte eben den Tisch. Der große, muskulöse Mann trug eine Schürze und sah darin zum Schreien aus.
    Wie ein Gentleman zog Artur Melanies Stuhl zurück und schob ihn unter ihren Po, als sie sich setzte. Er war eben im Begriff, neben ihr Platz zu nehmen, da nahm er in den Augenwinkeln eine Gestalt wahr. Sie kam eilig über die Kellertreppe nach oben gehuscht und ging gebeugt an ihnen vorbei, ohne ihnen das Gesicht zuzuwenden. Trotzdem erkannte er den Mann. Dieses zottige Haar, der ungelenke, gorillahafte Gang, der schlecht sitzende Anzug, das Verstohlene in seinen Bewegungen …
    „Dr. Konzelmann!“, sagte Artur.
    Der Doktor warf einen hastigen Blick in seine Richtung, als wäre er bei etwas erwischt worden, nickte kurz und verschwand dann durch das Portal nach draußen. Zwei Minuten später kehrte er wieder ins Schloss zurück und ging erneut in den Keller hinab, wo er sein Labor hatte. Der exzentrische Wissenschaftler hatte wohl etwas aus seinem Wagen geholt.
    Artur sah Melanie an. „Der Doktor ist schon wieder im Haus. Letzte Woche war er fast jeden Tag hier, sogar am Wochenende. Und jetzt schleicht er schon wieder herum. Da fragt man sich doch, was er hier treibt. Er kommt doch sonst immer nur mittwochs aufs Schloss, wenn er sein Seminar hält.“
    „Geheime, ruchlose Experimente im verborgenen Kellerlabor“, sagte Melanie theatralisch, und Michael sah sie unsicher von der Seite her an. Der Gedanke schien dem Hageren nicht zu gefallen.
    „Das Labor ist sein eigenes Reich“, meinte Artur. „Er lässt niemanden hinein. Er könnte da unten weiß-der-Henker-was herstellen, und wir würden nichts davon erfahren.“
    „Bisher hatten wir aber noch keine Beeinträchtigungen des Unterrichtsbetriebs zu verzeichnen“, konstatierte Melanie mit gespieltem Ernst. „Weder durch Explosionen noch durch fliehende Versuchstiere …“
    „Ich meine: Ist er wirklich vertrauenswürdig?“
    „Er hat das Vertrauen unseres Rektors.“
    „Werner vertraut jedem. Solange, bis es zu spät ist.“
    „Eine gute Philosophie“, meinte Melanie, und es kam ein wenig angriffslustig heraus.
    Artur ließ den Kopf sinken. Es hatte nicht in seiner Absicht gelegen, etwas Schlechtes über Dr. Konzelmann zu sagen. Er hatte nur wieder einmal feststellen müssen, dass er Melanies naive Vertrauensseligkeit nicht teilen konnte. Nicht, dass er nicht liebend gerne genauso gedacht hätte! Er beneidete sie um diesen Charakterzug. Aber er selbst war einfach nicht so gestrickt. Und es lag auch auf der Hand, warum nicht: Sein Leben lang hatte er einen Schutzengel bei sich gehabt. Für Artur war es nie eine Notwendigkeit gewesen, Menschen einzuschätzen. Der Schutzgeist hatte es für ihn getan, hatte jeden geprüft, der ihm über den Weg lief.
    Vielleicht war es gar nicht gut für ihn, diese Hilfe gehabt zu haben. War ihm dadurch nicht die Chance genommen worden, selbst Schutzmechanismen zu entwickeln? Hatte er überhaupt je gelernt, Menschen genau anzusehen, bis in die tieferen Gefilde ihrer Persönlichkeit hinein?
    Innerhalb der nächsten fünf Minuten versammelten sich die Studenten und Lehrer an den Tischen in der Halle. Im offenen Kamin brannte ein kräftiges Feuer, denn jetzt, im November, wurde es in dem alten Gemäuer zusehends dunkler und kälter.
    Es gab tatsächlich Eintopf, und wenn sich die Köchin Ekaterini gerade nicht in der Nähe aufhielt, wurden sofort Klagen laut. Es schmeckte nicht schlecht, denn sie verstand auch aus einfachen Zutaten noch etwas Leckeres zu schaffen, und trotzdem – dasselbe schlichte Gericht zum dritten Mal in zehn Tagen …
    Nach dem Essen erhob sich Werner Hotten. „Ich habe eine Ankündigung zu machen, ehe sich alle zerstreuen. Morgen Vormittag wird der Unterricht von Frau Gunkel entfallen.“
    Harald warf seine Gabel hoch in die Luft und schrie: „Yippie!“ Er hatte es zu gut gemeint. Das Besteckteil

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