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Totenruhe - Bleikammer - Phantom

Totenruhe - Bleikammer - Phantom

Titel: Totenruhe - Bleikammer - Phantom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Ambiente bis hin zu der zurückhaltenden Bedienung stimmte einfach alles. Irgendwann stießen sie unter dem Tisch mit den Füßen aneinander, und oberhalb des Tisches lagen ihre Hände aufeinander.
    „Noch einen Kaffee, wie damals?“, fragte er. Das Wort „damals“ klang seltsam. Schließlich lag ihre erste Begegnung noch keine drei Wochen zurück.
    Sanjay legte den Kopf schräg und blitzte ihn aus ihren dunklen Augen an. „Kaffee?“, echote sie. „Wenn wir schon auf uralte Zeiten anstoßen, sollten wir das dann nicht mit einem edleren Tröpfchen tun?“
    Er lachte. „Okay. Ein Glas Wein vielleicht?“
    Sie ließen sich die Weinkarte bringen, und als sie gewählt hatte, winkte Paul den Kellner, einen kleinen, lächelnden Inder herbei.
    „Für mich den trockenen Riesling hier, und für meine liebe Sanjay bitte den …“
    „Sanjay?“ Der Kellner machte ein überraschtes Gesicht.
    Die Studentin strahlte den Inder an. „Ich heiße tatsächlich so“, sagte sie. „Eine kleine Marotte meines Vaters.“
    „Wirklich?“ Der Kellner staunte und entschuldigte sich, dass er erschrocken war. Paul, der überhaupt nicht verstand, worum es ging, vergaß, welchen Wein seine Begleiterin gewählt hatte, und so bestellte sie selbst.
    Als die Bedienung gegangen war, betrachtete sie ihn lächelnd. „Jetzt hast du mein kleines Geheimnis entdeckt. Mein Name …“
    „Was soll damit sein?“, fragte er. „Ich finde ihn wunderschön.“
    „Danke“, erwiderte sie. „Für Deutsche klingt er möglicherweise sehr exotisch und weiblich. Inder finden es eher merkwürdig, dass ich ihn trage.“
    „Hat er eine bestimmte Bedeutung?“
    „Das auch“, antwortete sie. „Aber das ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass es sich um einen Männernamen handelt.“
    Pauls Kinnlade klappte herunter. „Du machst Witze!“
    „Absolut nicht. Vielleicht sagt dir der Name Sanjay Gandhi etwas. Er war der Sohn der indischen Premierministerin Indira Gandhi.“
    Paul war sprachlos. Sanjay sah ihm eine Weile dabei zu, wie er nach Worten suchte, und erkundigte sich dann mit einem verschmitzten Lächeln: „Habe ich dir die romantische Stimmung verdorben?“
    „Auf keinen Fall“, gab er eilig zurück und drückte ihre Hand fester.
    „Wenn du mir eine Chance gibst, werde ich dir beweisen, dass ich wirklich eine Frau bin, auch wenn ich einen männlichen Vornamen trage.“
    „Das brauchst du mir nicht zu beweisen. Ich …“ Er unterbrach sich. Auf seinen Wangen breitete sich eine Röte aus.
    „Ich nehme an“, sagte Sanjay leise, „dass du den Beweis schon heute Abend möchtest, damit alle Unklarheiten möglichst schnell vom Tisch sind. Von meiner Seite aus steht dem nichts im Wege …“
    Er antwortete nichts, sah sie nur an und versank in ihrem Lächeln.

3
    Paul wollte nicht nur den Beweis, er wollte auch Falkengrund sehen. Da Sanjay ohnehin bis zum nächsten Morgen wieder in der Schule sein musste, war es vielleicht sinnvoller, sich gleich dorthin zu begeben. Die Frage, wie und wo sie beide … war zweitrangig. Sie würden schon irgendwo eine Nische finden, um sich einander zu widmen, und notfalls stand noch Pauls Wagen zur Verfügung, ein geräumiger Ford.
    Auf der langen Fahrt durch den Schwarzwald kühlte ihre Stimmung nicht im Geringsten ab. Mehrmals lenkte Paul das Auto an den Straßenrand, wo sie ein paar Küsse und Umarmungen austauschten. Je später der Abend wurde, desto schwerer fiel es ihnen, den Punkt zu finden, wo sie noch aufhören konnten.
    Es war lange nach Mitternacht, als sie auf Schloss Falkengrund eintrafen. Sanjay sah den dunkelblauen Renault Clio auf dem Parkplatz stehen. Obwohl er nahezu mit der Finsternis verschmolz, fiel er ihr besser ins Auge als Margaretes schneeweißer Porsche. Der kleine Renault war Dr. Konzelmanns Wagen. Also hielt sich der Doktor noch immer auf dem Schloss auf. Übernachtete er etwa hier – unten, in seinem kalten Kellerlabor? Oder war er noch mit Experimenten beschäftigt und würde später nach Hause zurückkehren?
    „Ist es wirklich in Ordnung, wenn du so spät noch Besuch mitbringst?“, erkundigte sich Paul, während er von außen die Zentralverriegelung betätigte, was die Beleuchtung seines Autos aufflackern ließ und das alte, fahle Gebäude für Sekundenbruchteile in rotes Licht tauchte wie die Kulisse einer Geisterbahn.
    Sanjay hielt ihm die schwere Tür des Portals auf. „Falkengrund ist kein katholisches Mädchenpensionat“, meinte sie nur.
    „Schade“, grinste er.

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