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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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vergessen Sie’s. Kyle Yeager hat nicht besonders viel Ähnlichkeit mit Mitch.«
    »Aber Sie glauben, ich würde bei einem alten Mann wie Mitch Yeager einen Bodyguard brauchen? Er ist doch bloß ein reicher Geschäftsmann.«
    »Das möchte er wohl gern, dass alle ihn so sehen, was?«, sagte O’Connor in bitterem Ton.
    Ich sah ihn an. Offenbar hatte ich einen wunden Punkt getroffen.
    »Es gibt mehr als eine Art, Geschäfte zu machen«, erklärte er. »Da jammern die Leute immer, wie korrupt die Politiker sind. Aber das ist noch gar nichts im Vergleich zu manchen Leuten aus der Wirtschaft.«
    »Warum schreiben Sie dann nicht über ihn?«
    O’Connor sah zu Wrigleys Büro hinüber. »Das habe ich schon ab und zu getan, wie auch Ihrem Freund Max aufgefallen ist, aber nicht annähernd so viel, wie ich gern geschrieben hätte.«
    »Geht es da um Anzeigendollars?«
    »Mr. Yeager und einige seiner Freunde, die in seine Firmen investiert haben, haben Wrigley klar zu verstehen gegeben, dass sie keinen Zentimeter Anzeigenraum mehr kaufen würden, wenn der Express seine ›Kampagne‹ gegen Mr. Yeager
fortsetzt. Das war vor vierzig Jahren, und wenn Sie glauben, dass Yeager mittlerweile ein schwacher alter Mann ist, dann täuschen Sie sich.«
    »Sie hassen ihn wirklich.«
    »Ihn hassen?« Er blickte erstaunt drein. »Nein. Aber mir missfällt seine Art. Er schüchtert andere gern ein. Bei mir hat er es versucht, als ich noch ein Kind war.« Er lächelte. »Ich freue mich, sagen zu können, dass ich ihm schon damals das Leben ein wenig schwer gemacht habe.«
    Er sah demonstrativ auf die Uhr und sagte dann: »Wrigley hat mir erlaubt, einen der Konferenzräume zu benutzen, um die Vorgeschichte zum Fall Ducane mit Ihnen durchzugehen. Sie haben sie zwar schon teilweise gehört, aber …«
    »Klar. Gehen wir.«
    Ich folgte ihm zu einem der Konferenzräume.
    Er schloss die Tür hinter uns und zog die Vorhänge der Fenster zu, die zur Redaktion gingen - und durch die fast die gesamte Redaktion hereingeglotzt hatte -, ehe er die Schachtel auf den Holztisch in der Mitte des Raums stellte. Ich lehnte mich gegen eine Anrichte mit einem Telefon darauf und sah zu, während er eine Brille aufsetzte, die Schachtel aufmachte und ein Objekt nach dem anderen herausnahm. Er musterte jedes einzelne durch seine Bifokalgläser, ehe er über sie hinwegspähte und alles auf dem Tisch anordnete.
    Unterdessen schlenderte ich um den Tisch herum. Der Inhalt der Schachtel bestand zum Teil aus Fotos und Zeitungsausschnitten, doch den größten Teil bildeten Reporter-Notizbücher und lose, unentzifferbare Zettel. Mit Mühe konnte ich die Handschrift erkennen, doch wie die Karten in O’Connors Rollkarteien waren auch diese hier in einer Art Privatcode verfasst.
    Ich hatte gemutmaßt, dass der Inhalt der Schachtel chaotisch wäre - auf O’Connors Schreibtisch sah es immer aus, als hätte über ihm jemand eine Lostrommel voller pinkfarbener
Notizzettel und anderer Papiere zertrümmert, deshalb hätte es mich nicht überrascht, wenn er einfach im Lauf der Jahre ein Teil nach dem anderen in die Schachtel geworfen hätte. Doch hierin hatte ich mich geirrt. Die Art und Weise, wie er alles auf den Tisch legte, hatte Methode. Er sortierte die Sachen nicht, während er sie aus der Schachtel nahm, sondern sie befanden sich bereits in einer bestimmten Ordnung.
    Die Fotos deckten die gesamte Bandbreite von sich rollenden Schwarzweiß-Glanzaufnahmen bis hin zu den glatten Quadraten der Farbfotografie der Fünfzigerjahre ab - mitsamt den allzu grellen Rot-, Gelb- und Blautönen, die damals bei der Filmentwicklung entstanden waren.
    »Technicolor«, sagte ich.
    Er blickte auf. »So was in der Art«, erwiderte er und packte die Schachtel weiter aus.
    Ich begann, einige der Fotos genauer zu studieren. Es gab einen Stapel Fotos von Katy als Kind, oft mit Jack oder Helen, und andere von Katy als Teenager. Auf den meisten lächelte oder lachte sie. Sie war ein hübsches Mädchen, sah aber weder ihrem Vater noch ihrer Mutter ähnlich, obwohl Lillian ganz zweifellos auch eine schöne Frau gewesen war. Katy hatte ein phänomenales Lächeln, das bis in ihre Augen reichte und einen anregte, es zu erwidern. Wenn ich schon auf eine Schwarzweißfotografie so reagierte, musste sie in Fleisch und Blut elektrisierend gewesen sein.
    Auf einem Bild hielt sie eine Zigarette in der Hand.
    »Sie hat geraucht?«
    »Ja«, bestätigte O’Connor. »Gelegentlich. Soweit ich mich erinnere, war sie

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