Totenruhe
bleich.
»Conn, die anderen beiden. Schlimm, ich weiß, aber das ist Ihrer Schwester erspart geblieben, soweit man es beurteilen kann. Wir haben keine Frakturen dieser Art an Maureen gefunden. Sie war angezogen. Und es gab noch weitere Unterschiede. So etwas macht mich immer nachdenklich. Natürlich sind das alles Spekulationen meinerseits, und nach wie vor bleibt die große Frage offen, woher Mörder Nummer zwei von dem Grab wusste. Ich schätze, er hat entweder eines dieser Begräbnisse gesehen, oder Mörder Nummer eins hat gequatscht.« Nach kurzer Pause fügte er hinzu: »Ich schwöre Ihnen, dass ich diesen Fall nicht auf sich beruhen lasse, und Sie dürfen mich auch jederzeit anrufen und ausfragen. Ich mag Sie und ich mag Jack, aber wenn Sie weiterhin über Kriminalfälle berichten und vermeiden wollen, dass meine Kollegen sich verdrücken, sowie Sie hier zur Tür hereinspazieren, dann fragen Sie lieber keinen von ihnen mehr, ob sie irgendwelche Fortschritte bei der Aufklärung des Falls gemacht haben. Für manche von ihnen ist es nämlich so, als würden sie Tag für Tag ein Zeugnis mit einer Sechs in die Hand gedrückt kriegen. Es stimmt, dass wir nicht viel wissen und vielleicht nie viel wissen werden. Das ist schwer zu schlucken, ich weiß, aber ich werde Ihnen keine Märchen erzählen, nur damit ich selbst gut dastehe.«
Es war schwer zu schlucken. Und es war der Beginn einer Freundschaft.
Zwei Monate nach der Beerdigung seiner Schwester starb O’Connors Vater an einem Schlaganfall. Kurz danach bat
O’Connors Mutter ihn, an einem Abend zu ihr zu kommen. Er besuchte sie so oft wie möglich und fürchtete, dass all die Verluste zu viel für sie werden könnten. An diesem Abend schickte sie Mary ins Kino, aß in aller Ruhe mit ihrem Sohn und unterhielt sich mit ihm über seinen Job bei der Zeitung. Nachdem sie gemeinsam das Geschirr gespült hatten, setzte sie sich neben ihn, nahm seine Hand und sagte: »Ich verkaufe das Haus, Conn, und gehe wieder nach Hause. Mary will auch mitkommen.«
Er wusste, dass es nur einen Ort gab, den sie je als Zuhause empfunden hatte, aber dennoch war er von dieser Ankündigung schockiert. »Zurück nach Irland? Aber hier ist doch …«
»Hier bist du zu Hause. Für die meisten ist es sicher ganz schön hier, aber ich habe hier zu viel verloren. Ich mache nicht dem ganzen Land zum Vorwurf, was uns passiert ist, aber ich will nicht mit Gespenstern leben. Ich kann nicht mal um die Ecke gehen, ohne an Maureen zu denken. Und ich kann weiß Gott nicht in diesem Haus leben, ohne an deinen armen Vater zu denken und daran, wie sehr er hat leiden müssen.« Sie hielt inne. »Deshalb habe ich auch die Sachen von deiner Schwester zusammengepackt, Connor. Ich glaube, irgendwie habe ich es gewusst.«
Er sagte nichts.
Sie seufzte. »Wenn du Maureens Sachen willst, Junge, kannst du sie haben. Ich nehme sie nicht mit.«
»Ja, danke.« Er löste seine Hand aus ihrer und legte ihr den Arm um die Schultern. »Mein Gott, du wirst mir fehlen.«
Sie begann zu weinen. »Ich weiß, dass es zwecklos ist, dich zu fragen, ob du mitkommen willst …«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht, solange ihr Mörder noch frei rumläuft.«
Sie zog ein sauberes Taschentuch aus der Tasche ihres Kleides und wischte sich die Augen. »Aber dann musst du uns mal
besuchen kommen. Und wenn … wenn sie irgendwas … irgendwas über Maureen herausfinden …«
»Dann sage ich dir sofort Bescheid.«
Einen Monat darauf erreichte ihn in der Redaktion ein Anruf von Vera. Fast hätte er nicht mehr gewusst, wer sie war, bis sie sagte: »Wir haben uns im April kennen gelernt«, und den Tag der Beerdigung seiner Schwester nannte. »Erinnerst du dich?«
»Ja, ich erinnere mich«, antwortete er ruhig.
Nach kurzer Pause sprach sie weiter. »Also, ich wohne jetzt in Las Vegas. Ich bin nur ein paar Tage in Las Piernas. Lass uns zusammen Mittag essen.«
Er zögerte. »Ich merke gerade, dass ich nicht mal Ihren Nachnamen weiß.«
»Smith«, sagte sie lachend. »Das stimmt wirklich.«
»Hören Sie, Miss Smith …«
»Es ist enorm wichtig, dass wir uns zum Mittagessen treffen, Mr. O’Connor«, sagte sie unbeirrt. Jegliche Heiterkeit war aus ihrer Stimme verschwunden.
»Na gut.«
Sie trafen sich bei Big Sarah’s. Ein toller Ort, um zu erfahren, dass man Vater wurde, dachte er später.
»Ich verlange nicht, dass du mich heiratest«, sagte sie. »Ich möchte nur ein bisschen Unterstützung.«
Er dachte daran, wie er
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