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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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sich am Morgen nach Maureens Beerdigung gefühlt hatte, an das Gefühl, das Andenken seiner Schwester verraten zu haben, indem er mit dieser Frau geschlafen hatte. Doch er erinnerte sich auch daran, wie ihn Vera getröstet hatte, und bis jetzt hatte sie ja nichts von ihm verlangt. Was soll ich tun, Maureen?, fragte er im Stillen.
    Da überkam ihn ein seltsames Gefühl, ein Gefühl, das er als Ire einfach nicht ignorieren konnte. Es war, als würde alles in ihm, was in den letzten fünf Jahren in stetem Aufruhr gewesen war, still und ruhig. In einem Moment, wo er eigentlich allen
Grund hatte, verwirrt, unsicher und panisch zu reagieren, merkte er, dass er stattdessen ganz genau wusste, was er zu tun hatte.
    Er musterte Vera einen Moment lang und sagte dann: »Ich heirate dich.«
    Sie blickte verblüfft drein. »Offen gestanden wäre es mir lieber, du würdest es lassen.«
    »Ich will nicht, dass mein Sohn oder meine Tochter unehelich aufwächst. Wenn du nicht mit mir leben willst, auch recht. Wenn du denkst, ich würde etwas … noch etwas anderes von dir verlangen, keine Sorge.« Er hielt inne. »Was für ein Leben führst du, dass du dir vorstellen kannst, offen als unverheiratete Frau mit einem Kind auftreten zu können?«
    »Ich kann den Leuten sagen, dass ich verwitwet bin. Durch den Koreakrieg. Heutzutage gibt es nicht so wenige Witwen, dass eine mehr gleich Aufsehen erregt. Außerdem - stell dir doch mal vor, du lernst eine Frau kennen, die du wirklich heiraten willst, und dann bist du an mich gebunden.«
    »Will ich nicht.«
    »Das kannst du nicht wissen.«
    Er schwieg.
    »Es ist also sinnlos, dir diese Prophezeiung ausreden zu wollen. Okay - und was ist, wenn ich jemand anders kennen lerne?«
    »Dann können wir uns scheiden lassen. Aber wenn der Mann, den du heiraten willst, irgendwelche Vorbehalte gegen das Kind hat, kommt das Kind zu mir.«
    »Scheidung! Ich dachte, du bist katholisch.«
    »Bin ich, und es würde mir auch nicht behagen, aber ich will kein Kind zeugen und ihm dann meinen Namen verweigern. Das wäre noch schlimmer.«
    Sie debattierten eine Weile. Jetzt war er nüchtern und mehr als fähig, sich in einem Wortwechsel zu behaupten. Er ertappte sich dabei, wie er ihre Fähigkeit bewunderte, ihm darin in
nichts nachzustehen. Nachdem sie ihrerseits noch einige Bedingungen gestellt hatte, kapitulierte sie schließlich.
    Sie verabredeten sich für den nächsten Tag im Rathaus, mitsamt ihren Trauzeugen.
     
    Als er zur Zeitung zurückkam, konnte er sich nur mit Mühe auf den Artikel konzentrieren, an dem er gerade schrieb. In der Redaktion herrschte fast immer ein hoher Lärmpegel - eine Mixtur aus dem Anschlagen von Tasten, dem Klingeln von Schreibmaschinen am Ende jeder Zeile und dem Ratschen, wenn der Wagen zurückfuhr. Die Geräusche von Blättern, die herausgezogen wurden, das Rascheln dünner Lagen Kohlepapier zwischen Blättern billigen Durchschlagpapiers. Stimmen, die nach dem Redaktionsgehilfen riefen, und das leise Tuckern der Fernschreiber. Telefone klingelten auf verlassenen Schreibtischen. Überall wurde gesprochen. Wer nicht gerade telefonierte oder schrieb, debattierte oder alberte herum.
    Geräusche und Gerüche. Zigarettenrauch hing dick in der Luft, vermischt mit den Ausdünstungen der abgestandenen Reste von Schnellgerichten. Eine beträchtliche Anzahl der Anwesenden roch nach Alkohol, und einige von ihnen würden bis vier Uhr schon halb betrunken sein. Manchmal, so sinnierte O’Connor, wirkte die Redaktion wie eine Bar mit Schreibtischen und Schreibmaschinen. Die Zeitung verfügte über ein Telefon, das direkt im Press Club klingelte, der Kneipe auf der anderen Straßenseite, um Mitarbeiter ohne großen Aufwand von ihrer beliebtesten Tränke wieder herüber in die Redaktion beordern zu können.
    An diesem Nachmittag waren die meisten da und bemühten sich, vor Redaktionsschluss ihre Artikel fertig zu bekommen. Sommer, Schweiß und Männer unter Zeitdruck. Männer und Helen Swan, die immer wieder zu ihm herübersah. Er hätte schwören mögen, dass sie seine Gedanken lesen konnte. Er behielt die Tür im Auge.

    Corrigan hatte die Redaktion kaum betreten, als O’Connor schon aufstand, eilig auf ihn zuging und ihn bat, auf einen Sprung mit hinauszukommen. Jack wollte schon protestieren, unterbrach sich aber mitten im Satz und sagte: »Okay. Du siehst aus, als hättest du was auf dem Herzen.«
    O’Connor nickte und ging ihm auf dem Weg nach unten voraus.
    Draußen in der

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