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Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Burke
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zugleich kennt er, gerade weil er in diesem Ressort arbeitet, fast jeden Kleinkriminellen in Las Piernas. Früher oder später hat nämlich jeder von denen mal das Gefängnis oder den Gerichtssaal von innen gesehen, wenn nicht gleich beides. Diese Leute kenne ich wahrscheinlich auch, da wir an vielen Beiträgen gemeinsam gearbeitet haben. Aber die Netzwerke, die sich diese Kerle aufbauen, können über die Stadt hinausreichen. Wenn also jemand Jack eine
Falle stellen wollte, hat er natürlich Leute eingesetzt, die Jack noch nie gesehen hat - sonst wüsste er ja, mit wem sie in Verbindung stehen, beziehungsweise röche den Braten von vornherein.«
    »Aber wie kann es eine Falle gewesen sein? Jack war überhaupt nicht eingeladen.«
    »Doch.«
    »Von wem?«
    »Von Katy.«
    Lily verstummte.
    »Hat sie irgendetwas belastet?«, wollte O’Connor wissen.
    »Einiges«, erwiderte Lily. »Sie hat mir erzählt, dass sie sich von Todd scheiden lassen will.« In bitterem Tonfall fügte sie hinzu: »Das war Jacks Ratschlag. Ich habe ihr geraten, sich möglichst zu arrangieren, dem Kind zuliebe. Wenn sie sich von Todd hätte scheiden lassen, wären sie nie zusammen segeln gegangen …«
    »Lily … du darfst dir keine Vorwürfe machen.«
    »Da irrst du dich, Conn«, entgegnete sie. »Das darf ich durchaus. Und zwar nicht nur wegen dieser Sache.«
    »Wovon redest du?«
    Sie nahm ihr Scotchglas und nippte daran. Er fürchtete schon, sie würde ihm nicht antworten, doch dann sagte sie: »Was weißt du über Jacks Autounfall? Den von sechsunddreißig?«
    »Da war ich noch ein Kind. Ich habe nicht viel mitgekriegt.«
    Darüber musste sie lachen. »Stimmt. Du warst der schlauste kleine Junge, der mir je begegnet ist. Du hast mir Angst gemacht. Aber damals habe ich leicht Angst bekommen, viel zu leicht.«
    »Du hast nie Angst gezeigt.«
    »Vielleicht konnte ein kleiner Junge diese Art von Angst nicht als solche erkennen. Jack konnte es. Aber darum geht es nicht.«

    »Du warst mit im Wagen, das weiß ich. Ich glaube nicht, dass er mir das erzählt hätte, aber ich bin damals wie eine Klette an ihm geklebt und habe vermutet, dass er sich mit dir treffen will. Also bin ich hierher gekommen, habe mich im Vorgarten eurer Nachbarn versteckt und gesehen, wie du aus dem Haus gekommen und zu ihm ins Auto gestiegen bist.«
    Sie lächelte. »Du bist für diesen Beruf geboren, was?«
    »Für den oder für einen Job als Spion. Jack hat meine Spioniererei nicht gefallen, aber er wusste auch, dass ich nicht mit anderen über sein Privatleben sprechen würde. Er hat mir eingeschärft, niemals gegenüber irgendjemandem zu erwähnen, dass du an diesem Abend bei ihm warst. Es war furchtbar für ihn, und er wusste auch, dass du ihm nie wirklich verziehen hast, dich in diesen Unfall verwickelt zu haben. Das ist alles, was ich weiß.«
    »Ihm verziehen? Conn … ich habe den Unfall verursacht.« Er runzelte die Stirn.
    »Stellt Jack die Geschichte etwa anders dar?«, fragte sie.
    »Ja. Er sagt, er war betrunken.«
    »Damit ist er natürlich auf der sicheren Seite. Nein, es war meine Schuld. Ich habe einen Wutanfall bekommen, ins Lenkrad gegriffen, und wir sind gegen einen Baum geprallt. Jack konnte nicht mehr gehen, hat geblutet und hatte Schmerzen, aber bin ich vielleicht dageblieben und habe ihm geholfen? Nein.«
    »Er hat gesagt, du warst auch verletzt.«
    »Ich bin zu Hause behandelt worden. Ganz diskret.« Sie blickte lange ins Feuer, ehe sie fortfuhr. »Natürlich hatte ich keine gravierenden Verletzungen. Ich war jung und dumm und hatte schreckliche Angst, es könnte sich herumsprechen, dass die relativ frisch gebackene Mrs. Harold Linworth - deren Gatte gerade nach Europa gereist war, um noch mehr Geld aus dem Krieg zu schlagen - in einen Autounfall verwickelt war. Der Fahrer ein Junggeselle und ehemaliger Liebhaber - ich
denke, du verstehst, was ich meine. Ich bin ausgestiegen und habe ihn dort sitzen lassen. Bin an ein Münztelefon gegangen und habe Hastings verständigt. Wenigstens hatte er so viel Verstand, dass er den Unfall gemeldet hat, und so hat Jack Hilfe bekommen, ehe er verblutet ist.«
    »Jack hat dir nie irgendetwas verübelt, was an diesem Abend vorgefallen ist, weißt du.«
    »Natürlich weiß ich das. Das ist ja ein Teil dessen, was es so unerträglich macht. Seine verdammte Versöhnlichkeit.«
    Sie starrte erneut ins Feuer.
    Nach einer Weile sagte O’Connor: »›Wenn du einem anderen genug verzeihst, gehörst du zu ihm und er zu

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