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Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)

Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Totensonntag: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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g’sehen hast?«, wandte sich der Hansing Bauer an Elisabeth Muhrtaler.
    »G’wiss war s’ es. Ich hab die Stimm kennt. Sie hat mich gefragt, ob es den Haltmayerbauern noch gibt. Mich hat s’ nimmer kennt, die hochnäsige Madame.«
    »Des is net ungefährlich. Da san noch jede Menge SSler unterwegs. Wenn die merken, dass mir eine aus’m KZ verstecken, dann räumen die auf«, gab der Bürgermeister zu bedenken.
    »Die ham doch was Besseres zu tun, als nach der zu suchen«, sagte die Frau vom Apotheker. »Oder willst es der SS melden? Des san doch Mörder allesamt!«
    »Jetzt tu amal a bissl langsam, gell! Noch is es net vorbei. Ich, als Bürgermeister, hab a Verantwortung, dass mir hier alle lebend rauskommen. Ich möchte net, dass am End noch wer aus der Gemeinde zu Schaden kommt.«
    »Is sie keine aus der Gemeinde?«, warf die Apothekersfrau ein.
    »So weit kommt’s noch, dass die zu uns g’hört!«, quiekte Elisabeth Muhrtaler.
    »Ich hab auch keine Lust, dass ich wegen so einer derschossen werd«, sagte der Hansing Bauer.
    Kaplan Wiesinger gab ein Handzeichen und erhob sich von seinem Wirtshausstuhl, um, alter Gewohnheit folgend, im Stehen zu reden. »Mein Vorschlag ist: Wir beten dafür, dass der Herr den Kelch an uns vorübergehen lässt und niemand nach der Frau sucht. Jedes Menschenleben ist wertvoll vor Gott.« Er sah in die Runde, wie er das auch in der Kirche tat, und es fielen ihm etliche skeptische Gesichter auf. »Außerdem sollten wir bedenken«, er senkte die Stimme, »dass in Kürze andere hier das Sagen haben werden. Und denen wird es nicht gefallen, wenn unser Dorf eine halbverhungerte Frau an die SS ausgeliefert hat.« Die skeptischen Gesichter wurden nachdenklich. Der eine oder andere nickte gar.
    »Ich find des sehr gut, was der Herr Kaplan gesagt hat. Und das mach ’ma jetzt so. Erst beten, dann geht jeder heim und schaut, dass er der SS aus dem Weg geht«, sagte der Bürgermeister. Es folgte zustimmendes Gemurmel.
    »Lasset uns beten«, sagte der Kaplan und faltete die Hände.
    Doch bevor er den Herrn ansprechen konnte, wurde die Tür aufgerissen. Ein leichter Windhauch ging durch den Raum, und man spürte die Temperatur um einige Grade fallen. Im Türrahmen stand ein Mann in SS-Uniform. Den Gemeindebürgern fuhr der Schreck in die Knochen, ihre Herzen hämmerten. Es war ihnen wie ein Zeichen der Hölle, dass die Tür just in diesem Moment aufgerissen wurde.
    »Stör ich?«, sagte Hauptscharführer Kieling.
    Die Versammelten glotzten stumm auf den Ankömmling. Hinter ihm wurde ein weiterer SS-Mann sichtbar.
    Als Erste fand Elisabeth Muhrtaler die Sprache wieder. »Der Albert!«, entfuhr es ihr, und ihr Blick wurde wehmütig.
    Kieling beachtete sie nicht.
    »Heil Hitler, Herr Hauptscharführer. Oder dürfen mir noch Albert sagen?«, versuchte es der Bürgermeister mit einem Lächeln.
    Kieling trat in den Raum und sah die anwesenden Dörfler an, wie er es mit seinen Häftlingen beim Appell tat – einen nach dem anderen und ohne Hast. Als präge er sich das Gesicht eines jeden sorgsam ein, um bei passender Gelegenheit Gebrauch von seinem Wissen zu machen. »Was gibt’s denn zu bereden?«
    »Die Landwirtschaft. Nix wie Probleme. Die Maul- und Klauenseuche grassiert wieder.«
    »Tatsächlich.« Er sah in die Runde, und es war nicht auszumachen, ob sein leicht verzogener Mund von Spott, Verachtung oder den Strapazen des Krieges herrührte. »Ich hab schon befürchtet, ihr seid’s das Empfangskomitee für die Amerikaner.«
    Keiner wagte, etwas zu sagen. Stumm bohrten sich ihre Blicke in den Tisch oder die Holzdielen des Fußbodens. Es war wie beim Appell, musste Kieling denken. Und er dachte auch daran, dass einige von ihnen vor sechs Jahren mit Verachtung auf ihn herabgeblickt hatten, weil er ein Bankert war, ein Habenichts, einer, dem sie ungestraft in den Arsch treten durften.
    »Der Ami«, sagte der Bürgermeister schließlich, »der is noch weit weg. Und ob der überhaupts bis Dürnbach kommt … ich mein, die Gegenoffensive steht ja kurz bevor. Also da bin ich jedenfalls überzeugt. Dene amerikanischen Affen, dene zeigen mir noch, wo’s langgeht, oder?« Er versuchte ein Lachen, und einige im Saal sekundierten mit zustimmendem Gemurmel.
    »Ja dann – ab zum Volkssturm! Worauf wartet ihr noch?« Kieling sah wieder nur gesenkte Köpfe. »Ich sag euch was: In ein paar Stunden ist der Amerikaner da. Aber bis dahin werd ich mit euch noch Schlitten fahren, wenn ihr glaubt, ihr könnt

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