Totensonntag: Kriminalroman (German Edition)
aufzuwärmen. Da ist es mir das erste Mal aufgefallen: Ich bin sicher drei Stunden in der prallen Sonnen gelegen. Aber ich hatte das Gefühl, meine Eingeweide sind aus Eis. Innen wurde mir einfach nicht warm. Und das ist mir bis heute geblieben.«
»Du hast immer das Gefühl, du hättest einen Eisklumpen im Bauch?«
»Nicht immer. Aber oft. Vor allem wenn von irgendwoher kalte Luft kommt.«
Claudia schwieg und schien darüber nachzudenken, was sie von all dem halten sollte.
»Tja«, sagte Wallner, »so hat eben jeder seine Macken.«
Die Bedienung kam an den Tisch und meldete einen Anruf für Herrn Wallner. Er hatte im Büro hinterlassen, wo er war, und man kannte ihn in dem Café.
Es war ein von Rosenheim abgesandter Mitarbeiter der Soko. »Sie wollten doch, dass ich Bescheid sage, wenn wir irgendwas über die Negative herausfinden. Wir haben hier was. Es ist ein bissl rätselhaft. Vielleicht schauen S’ selber mal.«
49
D as Papier war im Ordner des Jahres 1988 aufgetaucht. Es handelte sich um eine Aufzählung der Sicherungsmaßnahmen, die Uwe Beck getroffen hatte, damit Unbefugte sich nicht in den Besitz seiner Informationen bringen konnten. Er hatte das Haus mit etlichen Kameras, dem elektrischen Schiebetor, Glassplittern auf der Mauer, Schlössern der neuesten Machart und anderen Schutzeinrichtungen versehen. Dazu hatte Beck vermerkt:
Die Sicherheitslage wird immer kritischer. Die Informationen, die mir über verschiedene Personen in Dürnbach und Umgebung vorliegen, sind hochsensibel. Es hat sich herumgesprochen, dass ich einiges weiß, was ich nicht wissen dürfte. Da gibt es Leute, die es auf meine Aufzeichnungen abgesehen haben. Das Archiv ist jetzt feuerfest und mit Sicherheitsschloss versehen, Panzertür. Da kommt keiner rein. Alle wichtigen Unterlagen kopiert und zusammen mit Negativen bei HL eingelagert.
»Na?«, fragte Kreuthner, der hinzugekommen war und Zivilkleidung trug. »Is des a Fund?«
»Was meinst du genau?« Wallner war von Kreuthners Anwesenheit irritiert.
»Ja, die Negative. Da sind mit Sicherheit die Fotos von fünfundvierzig dabei.«
»Vielleicht.« Wallner sah zwischen dem Soko-Mann und Kreuthner hin und her. »Was hast du damit zu tun?«
»Ich berate die Kollegen von der Soko. Weil ich bin ja in Dürnbach aufgewachsen. Ich kenn die Zusammenhänge, wo die oft gar net draufkommen. Die zeigen mir zum Beispiel ein Foto und sagen: Des schaut ziemlich brutal aus. Und ich sag: Des Foto is harmlos. Der schlagt net sei Frau, des is sei Tochter. Oder so in der Art halt.«
»Schön. Aber für die Sache hier brauchen wir deine Expertise ja nicht, oder?«
»Willst mich wieder loswerden?«
»Wieso läufst du hier überhaupt noch rum. Ich dachte, es ist ein Disziplinarverfahren gegen dich am Laufen wegen der Geschichte am Hirschberg?«
»Richtig. Ich bin suspendiert.« Er deutete auf seine Kleidung. »Deswegen Zivil.« Kreuthner trug Karottenjeans, eine Lederjacke mit vielen Fransen und gepolsterten Schultern sowie Cowboystiefel.
»Okay. Ich wünsch dir viel Glück. Aber dann darfst du dich hier eigentlich gar nicht aufhalten.«
Kreuthner nickte. Ein bisschen Bitterkeit steckte in diesem Nicken. »Wie du meinst. Macht’s gut. Ihr wisst ja offenbar, was HL bedeutet.« Kreuthner zog ab, beleidigt, wie es schien. Wallner und Claudia sahen sich an.
»Und?«, wandte sich Claudia an Wallner. »Weißt du, was HL bedeutet?«
Wallner drehte sich um und ging Kreuthner hinterher. »Leo! Wart mal.«
Kreuthner hielt an und schenkte Wallner einen ausnehmend indignierten Blick. »Tut mir leid. Ich weiß natürlich nicht, was HL heißt. Aber du darfst trotzdem nicht hier drin sein. Lass uns rausgehen.«
Auf dem Parkplatz wehte ein warmer Wind. Föhn war über Mittag hereingebrochen und wirbelte die trockenen Blätter vom Boden auf.
»Du weißt also, was HL heißt?«, begann Wallner das Gespräch.
»Ich vermute, dass ich’s weiß.«
»Was vermutest du?«
»Johann Lintinger.«
»Das wäre JL.«
»Hans halt. Der Beck hat ja keine wirklichen Freunde gehabt. Der Lintinger hat an Schrottplatz und war halbwegs so was wie a Freund. Von dem hat er sich viel Zeug für seine Sicherheitsanlagen besorgen lassen. Billig halt. Vom Laster gefallen. Und mit dem Lintinger hat er das Zeug zusammengebastelt.«
»Hat dieser Lintinger eine Werkstatt?«
»Ich zeig’s euch.« Kreuthner wollte den Dienstwagen besteigen.
»Nein, nein. Wir besorgen einen Durchsuchungsbeschluss und machen das ganz offiziell.«
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