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Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)

Titel: Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Fälle …«
    »Ja, wir kennen immer Fälle! Wir lassen uns zu gern betrügen.«
    So ging es die halbe Fahrt. Finley hatte seinen Spaß, Kitty weniger.
    Man hätte schon eher mal wieder über Land fahren sollen, dachte ich. Es erdete. Egal, welche Bilder um den Globus wehten, das Geschiebe unserer Autos blieb gleich, die Drängler, die Raser, die Autofahrer mit Hut. Unverändert kegelten die Berge des Albtraufs mit der Burg Teck uns in den Albanstieg. Auf der Albhochfläche war die Getreideernte schon vorüber. Und wie immer hatten die Landwirte geklagt: zu viel Sonne, zu viel Regen, Missernte, Einbußen, Preissteigerungen. Es war ein uraltes Spiel, auf das wir Jahr für Jahr hereinfielen. Aber es war mir erst dieses Jahr aufgefallen. Man kann halt über alles klagen. Die Wahrheit findet sich zuverlässig in der Toilettenanlage einer Raststätte. Körperliche Bedürfnisse sind bezwingend und kosten Geld.
    Wäre da nur nicht die Frau gewesen, die mich am Waschbecken stellte. »Sie sind doch diese Lisa Nerz! Mein Mann spielt jede Woche Lotto. Immer mit den gleichen Zahlen. Können Sie da nicht was für uns tun? Ich sage Ihnen die Zahlen.«
    Als es alpenländisch wurde, wandte sich Finleys Begeisterung den Kuhglocken und Häusern mit Holzbalkonen zu. Schloss Neuschwanstein enttäuschte ihn. Er hatte es zu hoch im Bergriegel gesucht und fand es zu klein. »Man sieht es ja gar nicht.«
    Die Eroberung des Schlosses dauerte zwei Stunden. Parkplatz anfahren, den Kartenverkauf ansteuern. Die Schalter waren für lange Schlangen ausgelegt. Jetzt, anderthalb Stunden vor der letzten Führung, waren die Warteschleusen leer. Man winkte uns ohnehin gleich in ein Hinterzimmer, wo ich ein Vermögen hinblätterte. Dann Toiletten suchen, dann eine halbe Stunde auf steiler Straße den Berg hochwandern. Kallweit keuchte, Meisner stapfte munter, Krautter marschierte und erzählte von Wandertouren in den Hochalpen, Janette und Kitty hatten sich untergehakt und bummelten, Finley schleuderte kamelig seine Beine im Takt mit Richards. Sie überholten den Pferdewagen mit den Lauffaulen und kamen außer Sicht.
    Dann zwischen Andenkenkiosken warten, Schirme, Krüge und Tiroler Hüte mit Gamsbart besichtigen. Ein Mann starrte mich an. Ich kaufte mir einen Schal und wickelte ihn mir bis über die Nase hoch. Es war zu spät. Der Mann murmelte mir hinterrücks ein »Hexe!« in den Kragen, als er loszog, weil auf der Anzeigetafel die Nummer seiner Führung aufleuchtete.
    Richard fuhr herum. Aber da war der Kerl bereits in der Menge verschwunden.
    Unsere Nummer war die letzte auf der Tafel. Wir rückten wieder hundert Meter weiter vor ins Torhaus zum Innenhof. Hier Rucksäcke abgeben, die technische Ausrüstung (Gaußmeter, Thermometer) in den Taschen am Körper unterbringen (Finley steckte sich sogar einen Zauberstab unter die Jacke), warten, bis an den Schranken unsere Nummer erschien. Der Innenhof leerte sich rasch. Die Gruppen vor uns verschwanden im Fünf-Minuten-Takt. Es war eine automatisierte Logistik, die praktisch ohne Personal auskam.
    »Ich will ja nichts Falsches sagen«, bemerkte Meisner mit Blick zu den grauen Türmen, »aber das sieht aus wie ein Pappmaschee-Schlösschen im Ludwigsburger Märchenpark. Waren Sie schon mal hier, Mr. McPierson?«
    »Nein«, antwortete Finley, der aus dem Land der echten alten, feuchten und finsteren Spukgemäuer kam. »Mich ruft man nur in Schlösser, in denen ein Geist umgeht. Das hier ist zu neu. Hier ist keine Weiße Lady gestorben, Sie verstehen? Dieser verrückte König Ludwig, der hat sich doch im Starnberger See das Leben genommen, er hat sich ertränkt, nicht wahr?«
    »Das ist keineswegs so sicher«, sagte Richard. »Dort, wo man die Leichen fand …«
    »Waren es zwei?«
    »Die von König Ludwig und die von Obermedizinalrat von Gudden, der Ludwig an diesem Tag über seine Entmündigung informiert hatte. Sie lagen im Starnberger See in Ufernähe. Guddens Uhr war im Wasser über eine Stunde später stehen geblieben als die von Ludwig. Daher ließ sich die These nicht aufrechterhalten, dass von Gudden Ludwig am Selbstmord habe hindern wollen. Außerdem konnte Ludwig schwimmen, und da ertrinkt man nicht.«
    In der Tür tauchte eine junge Frau auf, das Kinn in einem dicken Schal, die Hände in Wollhandschuhen. Wir durften uns in Marsch setzen.
    »Auf ihren Sterbebetten«, erzählte Richard weiter, »sollen der königliche Leibfischer und der königliche Leichenbeschauer ihren jeweiligen Töchtern

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