Totensteige (Lisa Nerz) (German Edition)
er in der Kuriositätensammlung Karin Beckers auch vorgekommen war. Ein Israeli, der in einer deutschen Fernsehshow eine Gabel an der Biegung zwischen Daumen und Zeigefinger gerieben hatte, bis sie brach.
»Sehen Sie, was der kann, kann ich auch«, sagte Finley. »Ich nehme eine Quecksilberverbindung und verreibe sie auf Daumen und Zeigefinger. Oder noch viel einfacher: Ich biege die Gabel vor der Show ein paarmal und schaffe auf diese Weise eine Sollbruchstelle. Dann bricht sie bei geringstem Druck in der Show.«
»Man muss nicht notwendig von Betrug ausgehen«, wandte Derya ein, »nur weil man ein Phänomen mit einem Trick reproduzieren kann.«
»Ja, Derya, das ist unser alter Streit.«
Sie lächelte streng. »Ich habe Wohnungen gesehen, die von umherfliegenden Steinen verwüstet waren. Man hat Steine aus der Wand kommen und quer durch den Raum fliegen sehen. Für die Polizei war der Fall erledigt, wenn man jemanden in der Familie, beispielsweise ein Kind, bei einer Manipulation ertappt hat. Aber ich frage Sie, Finley: Warum sollte ein Kind so etwas tun?«
»Weil es Aufmerksamkeit bekommt.«
»Ja, die Theorien von Hans Bender sind uns allen bekannt. Labile Jugendliche, die Aufmerksamkeit wollen. Und leider enden solche Geschichten immer im Betrug, sobald die Medien mit Fernsehkameras anrücken und was sehen wollen. Oder wenn wir Parapsychologen endlich gerufen werden. Dann ist der Erwartungsdruck so groß, dass der Spuk in Betrug umschlägt. Das Geschrei über den ertappten Betrüger verdeckt bald völlig die ersten Erscheinungen, die womöglich tatsächlich paranormalen Charakter hatten.«
»Aber Geller konnte niemals Gabeln per Geisteskraft verbiegen! In einer amerikanischen Show ist er gescheitert. Er musste sich weigern, seine Kunst an Gegenständen zu beweisen, die er vorher nicht gesehen hatte. Auch bei den Tests im Stanford Research Institute hat er so viele Bedingungen gestellt, und gleichzeitig waren die Experimentatoren so wild darauf, etwas zu sehen, dass er ihnen schnell die Kontrolle über die Versuche aus der Hand genommen hat. Als Illusionskünstler hat Geller meine volle Hochachtung. Aber bis heute gilt er als Medium. Das Gerücht hält sich hartnäckig, er habe die Ölquelle, mit der er sein Vermögen gemacht hat, mit einer Wünschelrute aufgespürt.«
Derya lächelte. »Auch der Glaube, dass es keine paranormalen Ereignisse gibt, ist ein Glaube.«
Finley lachte freundlich und wandte sich wieder an uns Laien. »Was ich damit nur sagen will: Ist der Name eines Menschen im Zusammenhang mit Psi erst einmal gefallen, kann der Betreffende nur noch beschädigt aus der Sache herauskommen. Er wird durch Shows geschleift, muss mehr produzieren, als er kann, und wird am Ende unweigerlich als Betrüger entlarvt.«
»Oder jemand reißt ihn sich unter den Nagel«, fiel ich ihm ins Wort.
»Wie meinen Sie das?«
»Jemand, der meint, die Fähigkeiten des Übersinnigen würden ihm nützen, nimmt ihn unter Exklusivvertrag.«
»Inwiefern?«
Ich zuckte mit den Schultern und lächelte dümmlich. Aber ich sah, dass er mich verstanden hatte.
»Ja, auch das ist möglich, Lisa. So ein Mensch könnte den falschen Personen in die Hände fallen. Nur stellt sich mir die Frage, wozu er wirklich nützen sollte. Ich habe noch keinen Psi-Begabten getroffen, der zuverlässig große paranormale Ereignisse hervorrufen konnte. Und dieser Juri Katzenjacob, den ihr da verhaftet habt, der kann es höchstwahrscheinlich auch nicht.«
»Warum schließen Sie das so kategorisch aus?«, erkundigte sich Richard erfreut.
»Weil es noch nie vorgekommen ist. Und weil alle Menschen, die sich auf dem Gebiet der Parapsychologie betätigt haben, starke Charaktere waren, Menschen, die im Leben standen, durchaus geschäftstüchtig, mindestens aber gute Verteidiger ihrer Fähigkeiten und darauf aus, sie zu zeigen.«
Ich dachte an das, was Derya mir nach meinem PK -Test gesagt hatte: »Extrovertierte, aktive, kommunikative Menschen mit starker Maskulinität.«
»So ist es, Lisa.« Er lächelte mir in die Augen. »Ist dieser Juri Katzenjacob so eine Persönlichkeit?«, fragte er rein rhetorisch. »Wenn er Tiere aufschneidet, um sich daran zu delektieren, würde ich sagen: Nein. Er gehört in eine andere Kategorie von Charaktertypen, welche die Kriminalisten vermutlich besser beschreiben als ich. Oder irre ich mich?«
»Ich kenne ihn nicht«, antwortete Richard. »Ich bin nicht der ermittelnde Staatsanwalt, ich war bei keiner Vernehmung
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