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Totenstimmung

Totenstimmung

Titel: Totenstimmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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mit meinem Bassisten gesprochen. Du weißt doch, Wimo leitet die Werkstatt für Behinderte in Hemmerden. Er hat über seine Kontakte etwas über Radermacher erfahren.«
    »Und?«
    »Demnach ist der Krankenpfleger irgendwann bei der Gladbacher Initiative Schmetterling e. V. aufgetaucht und hat nach Arbeit gefragt. Sie haben ihn sofort genommen. Die Leiterin hat Wimo erklärt, dass sie damals einen Pfleger gesucht haben, der die Behinderten nicht nur krankenpflegerisch betreut, sondern auch den Alltag mit ihnen gestaltet. Sie sei beeindruckt gewesen von seinem Zeugnis und von seinem Verhalten in der Kennenlernphase.«
    »Kennenlernphase?«
    »Das übliche Verfahren in Heimen oder anderen sozialen Einrichtungen. Die Bewerber laufen ein oder zwei Tage mit, um zu merken, ob sie ins Team passen. Außerdem sollen sich danach auch die betreuten Personen zum Bewerber äußern.«
    »Hm.« Schrievers hielt einen Moment in seinen massierenden Bewegungen inne und kratzte sich am Kinn.
    »Interessant ist, dass zwischen Kündigung und neuem Arbeitsvertrag fast ein ganzes Jahr liegt. Was hat Radermacher in der Zwischenzeit gemacht?«, gab Ecki zu bedenken.
    Schrievers rollte wieder an seinen Schreibtisch. »Trotzdem, ich kann nichts Ungewöhnliches an Radermachers Biografie erkennen.«
    »Und das ist genau das Problem. Die Sache stinkt. Irgendwie klingt alles zu banal, und dennoch habe ich den Verdacht, dass hinter der Fassade des aufopferungsvollen Krankenpflegers noch irgendwas steckt.«
    »Dann find’s raus, Borsch.« Heinz-Jürgen Schrievers zog seine Schreibtischschublade auf und wieder zu.
    »Hast du keine Idee?«
    »Warte mal. Kann ich zaubern? Ich habe Muskelkater. Da dauert das Denken.« Der Archivar zog die Schublade erneut auf und schob sie sofort wieder zu.
    »Möchtest du ins Café? Brauchst du Tapetenwechsel?« Ecki hatte die leise Hoffnung, Schrievers würde zustimmen.
    »Nix da. Außerdem fahre ich nur ins Café in Kaldenkirchen.« Der Archivar sah auf den Steckkalender. »Aber heute ist Dienstag, da hat Alt Bruch sowieso zu.« Er seufzte bei dem Gedanken an die Grillagetorte.
    »Radermacher ist nicht sauber, das weiß ich.«
    »Dann lass ihn überwachen.«
    »Wie soll das gehen? Du weißt, dass wir keine Leute haben.«
    Der Archivar zuckte mit den Schultern. »Was anderes fällt mir nicht ein. Mit Muskelkater kann ich mich nicht richtig konzentrieren.«
    »Dann solltest du lieber nicht walken.«
    »Spar dir deine klugen Sprüche, Borsch. Du solltest lieber mal mitkommen. Sind wirklich nette Leute dabei.«
    Frank winkte ab. »Nee, lass man. Wenn ich rausgehe, dann jogge ich. Walken ist was für –«
    Schrievers »Ja?« klang rasiermesserscharf.
    »Ach, nix. Ich mein ja bloß. Ich käme mit den Stöcken nicht klar.« Das war knapp, dachte Frank.
    »Ist überhaupt kein Problem. Wir haben außerdem einen super Trainer, der bringt dir das ruckzuck bei. Und wenn du erst den Rhythmus gefunden hast, geht das wie geschmiert.«
    »Nee, nix für mich. Außerdem will ich mich nicht unterhalten müssen.«
    »Tut auch keiner. Die meisten hören eh Musik.«
    »Oh, das ist ganz schlecht«, schaltete sich Ecki grinsend ein. »Bei der chaotischen Musik, die Frank hört, käme der keine zehn Meter weit.«
    »Musst du gerade sagen. Deine WDR 4-Sülze ist keinen Deut besser: Deine Spuren im Sand, die ich gestern noch fand.« Frank summte die Melodie. »Das können auch Schlurf- und Schleifspuren sein.«
    »Hast du eine Ahnung. Weißt du überhaupt, wie anstrengend Walken ist? Man muss es natürlich richtig machen.«
    Auf diese Diskussion wollte sich Frank nun aber doch nicht einlassen. Erstens ging ihm Radermacher nicht aus dem Kopf. Und zweitens war Ecki in der Tat ein echtes Sporttalent. Was man seinem breiten Kreuz auch ansah. Und das trotz seines immensen Konsums frischer Hefeteilchen.
    Johanna Eßers blieb auf halber Treppe stehen und atmete die abgestandene Luft tief ein. Das Gehen machte ihr jeden Tag mehr zu schaffen. Sie hielt sich am Treppengeländer fest und stellte den Müllbeutel ab. Nur einen Augenblick, befahl sie sich. Nur einen winzigen Augenblick. Gleich würde es wieder gehen.
    Sie hatte nicht viel für die Müllabfuhr, aber sie mochte keine Abfälle länger als nötig in ihrer Küche aufbewahren. Seufzend griff sie nach dem Beutel und straffte sich. Es waren ja nur noch ein paar Schritte, und die Müllmänner würden jeden Augenblick vor der Wohnanlage der Kreisbau auftauchen. Johanna Eßers stutzte. Heute war

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