Totentanz für Dr. Siri - Cotterill, C: Totentanz für Dr. Siri - Disco for the Departed
hätte er gesagt.
Bevor die Männer wieder gegangen waren, hatten sie die vierstellige Nummer aufgeschrieben – die, wie es der Zufall wollte, mit drei Neunen endete -, und ihnen versichert, der Anschluss werde schon am nächsten Tag erfolgen. Tatsächlich jedoch hatte es zwei Wochen gedauert, bis sie das unverkennbare laotische Freizeichen zum ersten Mal vernahmen – ein Spatz, der verzweifelt sich bemühte, aus einer knisternden Papiertüte zu entkommen. Jetzt konnte Dtui alle paar Tage nach ihrer Mutter hören. Was sie ungemein beruhigte. Natürlich musste sie sich die Seele aus dem Leib schreien, damit ihre Mutter sie überhaupt verstand. Siri war von ihrer Lungenkapazität derart
beeindruckt, dass er sich fragte, ob das Telefon nicht vielleicht doch verzichtbar sei.
Außerdem ließ die Obduktion ihr keine Ruhe. Sie nahm ihre klobige sowjetische Taschenlampe mit nach unten, und nachdem sie volle zehn Minuten in den Hörer gebrüllt hatte, stahl sie sich zur Hintertür hinaus und schlich zum Haus des Präsidenten. Es hatte keinen Grund gegeben, die Tür des Konferenzzimmers zu verschließen. Die Einzelteile der Leiche lagen noch immer auf dem Plastiktischtuch. Die Geschichte von den kubanischen Krankenpflegern ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Zwar handelte es sich bei der Leiche nie und nimmer um den liebestollen Basketballer, aber was war mit seinem bocksgesichtigen kleinen Freund? Vielleicht war er ja gar nicht abgereist, sondern aus irgendeinem Grunde hiergeblieben und in Schwierigkeiten geraten?
Sie ließ den Strahl der Taschenlampe über den Torso wandern, und da Siri bei Obduktionen ausgiebige Gespräche mit seinen Leichen zu führen pflegte, begann sie ihre Untersuchung mit den Worten: »Entschuldigen Sie, Herr Odon, aber ich frage mich, ob Sie uns nicht vielleicht doch ein wenig mehr mitzuteilen haben, als wir dachten.« Bei der äußeren Leichenschau war ihr etwas aufgefallen, drei Male – nahezu parallele Linien – unterhalb der linken Achselhöhle, die sie als interessant, aber nicht weiter bemerkenswert befunden hatte. Bei der Kontraktion der Haut waren viele solcher Rillen entstanden, doch diese drei erschienen ihr erstaunlich regelmäßig. Ihre seltsame Beschaffenheit hatte ihre Neugier geweckt, und die wollte sie nun stillen.
Sie richtete den Lichtstrahl auf die rechte Brusthälfte. Dort war der Zerfall etwas weiter fortgeschritten, deshalb
waren sie nicht gleich zu sehen, aber nachdem sie die ledrige Haut mit den Fingern beiseitegeschoben hatte, gab es für sie keinen Zweifel mehr. Drei Furchen an derselben Stelle wie auf der linken Seite – symmetrisch. Für diese Male gab es keine biologische Erklärung. Der Leichnam musste im Zuge eines Rituals oder dergleichen verstümmelt worden sein. Er hatte ihnen ohne Frage noch das eine oder andere mitzuteilen.
Siri stand kurz davor, den Leiter des Gästehauses aus dem Bett zu holen, um sich über den verfluchten Krach zu beschweren. Es war nun schon die dritte Nacht, in der um Punkt zwölf diese ausländische Teufelsmusik losplärrte. Wusste die Jugend von Vieng Xai mit ihrer Zeit eigentlich nichts Besseres anzufangen? Und warum duldeten die leitenden Kader der Region diese bourgeoise westliche Dekadenz? War ganz Houaphan in dumpfer Resignation versunken?
Da an Schlaf nicht zu denken war, ließ er das Gespräch mit dem Genossen Lit noch einmal Revue passieren. Sie hatten eine Liste erstellt. Erstens wollten sie das Datum der Abreise von Isandro und Odon überprüfen. Zweitens den vietnamesischen Oberst ausfindig machen, der sich bei Santiago beschwert hatte. Und drittens Erkundigungen über andere Projekte in der Umgebung einholen, an denen dunkelhäutige Ausländer beteiligt waren. Siri hatte darauf bestanden, die Suche auf die Angehörigen vietnamesischer Bergvölker auszuweiten, obwohl er ziemlich sicher war, dass es sich bei dem Toten nicht um einen Asiaten handelte.
Auf halber Strecke zwischen Punkt sieben und acht übermannte ihn der Schlaf. In der Fortsetzung seines
Traums saßen die Krähe und die Spätzin noch immer auf der Hochspannungsleitung und neckten sich. Doch nach und nach gesellten sich weitere Spatzen zu ihnen. Einer von ihnen hockte sich neben die Spätzin und wollte mit ihr flirten. Sie wies seine Annäherungsversuche zurück und flüchtete sich an die Seite ihrer geliebten Krähe. Dies versetzte die Spatzen in hellen Aufruhr. Sie kreischten flatternd und flügelschlagend um die Wette, und eine Attacke gegen den Feind
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