Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenverse (German Edition)

Totenverse (German Edition)

Titel: Totenverse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Ferraris
Vom Netzwerk:
Widerwillen, wie nützlich es war, jemanden vorangehen zu lassen.
    Vor dem Fahrstuhl warteten zwei Männer, aber als sie Miriam sahen, ließen sie sie und Nayir prompt allein einsteigen. Nayir dankte ihnen und drückte den Knopf.
    Als sich die Tür geschlossen hatte, sagte Miriam sarkastisch: »Wie nett von den beiden.« Sie sah, dass Nayir nicht antworten würde, und schob hinterher: »Halten sie Frauen wirklich für so furchtbar, dass sie nicht mal ertragen, mit ihnen zusammen Aufzug zu fahren?«
    »Das war reine Höflichkeit«, entgegnete er. Er wirkte erfreut und ein wenig überrascht, als wäre solches Verhalten heutzutage leider viel zu selten.
    »Mir gibt es das Gefühl, schmutzig zu sein«, sagte sie.
    Er hielt die Augen auf die Leuchtziffern über der Tür gerichtet. »Dann sind Sie wohl etwas anderes gewohnt.«
    »Was soll denn das heißen?«, fragte sie barsch. »Dass die Männer in Amerika Frauen unhöflich behandeln?« Er wirkte leicht verletzt, und sie bedauerte ihre aufbrausende Reaktion.
    »Sie haben recht«, räumte sie ein. »Ich bin etwas anderes gewohnt.«
    Die Tür glitt auf, aber es war nicht ihr Stockwerk. Der Flur war menschenleer.
    »Wie heißt Ihr Mann noch mal mit Vornamen?«, fragte er und drückte erneut den Fahrstuhlknopf.
    »Eric, aber hier nennt man ihn Abdullah.« Sie kam sich albern vor, weil sich ihr Neqab beim Sprechen jedes Mal leicht aufblähte. »Wissen Sie was? Ich finde, ich sollte selbst mit denen hier reden.«
    »Das sollten Sie nicht«, sagte er rundheraus und sah sie kurz an.
    Diesmal schlug sie ihren Neqab hoch, und er wandte den Blick so schnell ab, dass er Gefahr lief, sich ein Schleudertrauma einzuhandeln. Sie wusste, dass sie es auf die Spitze trieb, aber trotz ihres schlechten Gewissens hätte sie nicht übel Lust gehabt, sein Kinn zu packen und ihn zu zwingen, sie anzusehen. »Es geht schließlich um meinen Mann «, sagte sie.
    Endlich schloss sich die Fahrstuhltür wieder, und Nayir schien erleichtert.
    »Falls die hier irgendwas verbergen«, sagte er bedächtig, »werden sie mir mehr erzählen, wenn ich allein bin und wenn sie glauben, dass ich Sie nicht kenne.«
    Er hatte recht, das wusste sie, aber sie argwöhnte auch, dass er sie in Wahrheit nicht dabeihaben wollte, weil sie eine Frau war.
    »Ich will damit sagen«, fuhr er fort, »dass die hier vielleicht Dinge wissen, die sie Ihnen nicht erzählen werden.« Seine Miene verriet, dass er spezifisch »männliche« Dinge meinte.
    »Sie meinen, Eric hat mich betrogen?«, fragte sie und schnaubte abfällig, aber insgeheim zog sich ihr der Magen zusammen. »Aber selbst wenn, wieso sollten die Ihnen das erzählen? Ist es nicht ein Kapitalverbrechen, wenn ein Mann seine Frau betrügt?«
    Er schien über irgendetwas nachzudenken, weil er nicht antwortete. Die Fahrstuhltür öffnete sich mit einem Pling, und sie zog den Neqab wieder vors Gesicht. »Ich komme mit«, flüsterte sie, »egal wo Sie hingehen.«
    SynTech nahm den gesamten fünften Stock in Beschlag. Ein zentrales Großraumbüro reichte bis zu einer Reihe von Panoramafenstern mit Blick auf triste Mietshäuser. Hinter einer verglasten Anmeldung saß stumm ein Sekretär.
    Miriams erster Gedanke war, dass die Firma nicht den Eindruck erweckte, als würden hier Bodyguards arbeiten. Sie hatte sich etwas Militaristischeres vorgestellt, Männer in Uniform, olivgrüne Overalls, kalter Kaffee und Patronenschachteln in Regalen gestapelt. Das Büro roch nach Bohnerwachs und Bleiche, und die Menschen, die hier arbeiteten, hielten alles so blitzsauber, dass nichts die klaren Linien der modernen Möbel verunzierte.
    Mit einem dezenten Nicken bedeutete Nayir ihr, in einem Wartebereich rechter Hand auf einem unbequem aussehenden Sofa Platz zu nehmen, aber sie fand es zu riskant, sich mit ihrem Neqab um den Couchtisch herumzumanövrieren.
    Nayir ging zu dem Sekretär und fragte nach Abdullah Walker. Der Mann warf ihm einen ängstlichen Blick zu. Er hob einen Finger, stand auf und eilte nervös zu einer Bürotür auf der linken Seite. Auf sein Klopfen hin ertönte eine gedämpfte Antwort, und er verschwand durch die Tür. Kurz darauf kam er wieder heraus und winkte Nayir, er solle eintreten. Miriam huschte hinterher, obwohl der Sekretär sie missbilligend ansah.
    Das Büro war ein heller Raum mit einem dicken Berberteppich und Mahagonimöbeln. Die Luft hier drin war kühler, der Geruch frisch und einladend. Der Mann hinter dem Schreibtisch wirkte in dieser luxuriösen Umgebung

Weitere Kostenlose Bücher