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Totenverse (German Edition)

Totenverse (German Edition)

Titel: Totenverse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Ferraris
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Entscheidung selbst getroffen. Und auf einmal stand sie da und trug einen Neqab. Es war eine ganz simple Geste, wie Schuhe ausziehen. Sie hätte ihr Kleid und ihre Seidenstrümpfe zuerst abstreifen können, und es hätte nicht annähernd diese Wirkung gehabt. Jetzt zeige ich dir mein wahres Ich , schien sie zu sagen. Und übergebe es dir ganz .
    Er klappte die Akte zu und sah Bashir an. »Es kommt immer anders, als man denkt, nicht?«
    Bashir nickte grimmig.
    Osama hatte ihn an dem Punkt, wo er die Schlinge zuziehen sollte. Hatten Sie nie Lust, ihr mal zu zeigen, wo sie hingehört? Wer der Herr im Haus ist? Er betrachtete Bashir und sah eine geknechtete Seele. Dann fiel ihm ein, was sie von Faruha erfahren hatten; die hatte ein ganz anderes Bild von Bashir gezeichnet.
    »Leila ist während der Ehe an Typhus erkrankt«, sagte Osama.
    Bashir nickte und wirkte zum ersten Mal verunsichert.
    »Wie sind Sie damit umgegangen?«
    »Nicht sehr gut«, sagte er mit sichtlich wachsendem Unbehagen. »Ich hab nicht erkannt, wie krank sie war, bis ihr Bruder auftauchte und drohte, er würde mich umbringen.« Bashir seufzte und schloss die Augen. »Hören Sie, ich hatte drei Jobs gleichzeitig und konnte kaum die Rechnungen bezahlen. Leila gab mein ganzes Geld für irgendwelchen Blödsinn aus. Ich hab gedacht, sie hätte bloß die Grippe …« Er verstummte. Osama sah ihm an, dass ihn die Erinnerung quälte.
    Das Gespräch versandete. Hier war nichts zu holen – kein Motiv, kein Beweis.
    »Sprechen wir über ihren Bruder«, sagte Osama, um vielleicht doch noch irgendwas Brauchbares aus dieser Vernehmung herauszuholen. »Was hielt der von Leilas Arbeit?«
    »Ich weiß gar nicht genau, ob er davon wusste, aber wenn ja, wäre er bestimmt nicht damit einverstanden gewesen. Ich vermute, sie wollte Geld von ihm, und er hat Nein gesagt, deshalb ist sie zu mir gekommen. Sie hat ihn bestimmt nicht allzu sehr bedrängt, weil sie wusste, dass er ihr das Leben schwer machen konnte.«
    »Ach ja? Inwiefern?«
    »Er hätte sie nach Syrien zurückschicken können, ihr Visum annullieren lassen. Sie wollte nicht dahin zurück.«
    »Aber sie war doch mit Ihnen verheiratet«, wandte Osama ein. »Er hätte sie also nicht ohne Ihre Erlaubnis zurückschicken können.«
    »Stimmt«, sagte Bashir, »aber er hätte mein Visum annullieren lassen können. Er war mein Bürge.«
    Osama ließ diese Information sacken. Leila hatte einen Mann geheiratet, der von ihrem Bruder abhängig war. Es war nicht verwunderlich, dass Abdulrahman Bashirs Bürge war – ihre Eltern waren alte Freunde, praktisch wie eine Familie –, aber es machte Osama deutlich, wie groß Leilas Abhängigkeit von ihrem Bruder gewesen war.
    »Wieso haben Sie jetzt Schwierigkeiten mit Ihrem Visum?«, fragte Osama.
    »Nach der Scheidung hat Abdulrahman sich geweigert, weiter für mich zu bürgen«, sagte Bashir. »Ich weiß nicht, was Leila ihm über mich erzählt hat, aber ich hab das Gefühl, dass sie mir an allem die Schuld gab, und er war immer noch wütend auf mich wegen der Typhus-Geschichte. Er hat mich im Regen stehen lassen. Ich bin zu meinem Bruder gezogen und suche seitdem nach einem neuen Bürgen.«
    Osama nickte. Er hatte geschlagene drei Tage nach diesem Burschen gesucht, und seine Frustration wuchs mit jeder weiteren Sekunde, die er hier verbrachte. »Also gut«, sagte er und öffnete sein Notizbuch. »Jetzt möchte ich wissen, wo Sie an dem Tag waren, an dem Leila verschwand.«

28
     
    Osama erinnerte sich an die Einkäufe für Nuhas Aussteuer. Seine Mutter war mit ihm in ein Dessousgeschäft gegangen, das sie drei Stunden später mit sechs Tüten beladen wieder verließen. Wenn er jetzt zu Hause in Nuhas Kommodenschublade schaute, würde er nicht mehr sagen können, welche Dessous er ihr damals gekauft hatte. Das Einzige, was ihm von diesem Tag in Erinnerung geblieben war, war das Gespräch mit seiner Mutter. Sie hatte ihm erklärt, wie wichtig Dessous waren, weil Frauen ihre Schönheit so lange verbergen mussten und die Ehe für die meisten von ihnen die Chance bedeutete, endlich zu zeigen, was sie bislang versteckt gehalten hatten. Gewiss, Frauen brachten Unmengen von Kleidung mit in die Ehe, aber es war wichtig, den Ton anzugeben, sagte seine Mutter, seiner Verlobten zu zeigen, welchen Stil er im Schlafzimmer bevorzugte. Doch dann hatten sie sich drei Stunden lang mit verwirrenden Fragen herumgeschlagen. Was würde Nuha gefallen? Blau oder rot? Leder oder Satin? Zu

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