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Totenverse (German Edition)

Totenverse (German Edition)

Titel: Totenverse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Ferraris
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welcher Sorte Frau zählte sie? Er war seiner Sache nicht sicher gewesen, hatte aber dennoch Entscheidungen getroffen. Und später dann waren Nuha vor lauter Glück die Tränen gekommen. Anschließend hatte sie alle ihre Freundinnen eingeladen und ihnen ihre Schätze gezeigt. Er hatte sich lange Zeit dafür beglückwünscht, so gut ihren Geschmack getroffen zu haben. Doch jetzt ging ihm durch den Kopf, dass sie kaum etwas von seiner Auswahl im Schlafzimmer trug und die Dessous in der hintersten Ecke des Raumes eine eigene Kommode füllten.
    Er war erneut unterwegs zu Abdulrahmans Geschäft. Katya saß auf dem Beifahrersitz und fragte sich bestimmt, warum er sie mitgenommen hatte. Immerhin hielt sie den Mund und starrte nicht aus dem Fenster wie ein armes schmollendes Kind. Er hätte jetzt nicht mit Schuldgefühlen umgehen können.
    Sie bogen auf den Parkplatz vor dem Geschäft ein. Katya wollte aussteigen, aber er sagte, sie solle noch warten – die ersten Worte, die er an sie richtete, seit sie in den Wagen gestiegen waren. Also nickte sie und lehnte sich wieder zurück.
    Sie warteten ab, bis der Ruf zum Asr-Gebet erschallte, und gingen dann hinein. Als er die Eingangstür aufstieß, sah ihn einer der Verkäufer und kam hinter der Kassentheke hervorgestürzt. Er hastete zur Tür und versuchte, den Eindruck zu erwecken, als wollte er den Laden gerade für die Dauer des Gebets schließen. Osama sah zu, wie der Mann ein Metallgitter herunterzog und ein Schild im Fenster mit der Aufschrift: Während des Gebets geschlossen, Allah Akbar , umdrehte. Der Mann blickte nervös um sich, offenbar unsicher, was er als Nächstes tun sollte. Es waren noch Kunden im Geschäft. Der Verkäufer sah aus, als wäre er gern geblieben, um weiter mögliche Ladendiebe abzuschrecken, doch stattdessen verschwand er nach hinten, wohl um Osamas wegen seine Waschungen zu verrichten. Osama lag die Bemerkung auf der Zunge, dass er nicht von der Religionspolizei war, aber er sagte nichts und durchquerte den Laden. Katya folgte ihm wortlos.
    Als sie den hinteren Raum erreichten, bemerkte er, dass Katya ihren Neqab nicht gesenkt hatte und sich mit einem Selbstbewusstsein umschaute, das ihn an Faiza erinnerte. Allein der Gedanke an Faiza genügte, um seine Stimmung weiter zu verdüstern, und er stieß die Schwingtüren heftig auf.
    In dem hinteren Raum herrschte Stille. Offenbar gewährte Abdulrahman seinen Mitarbeitern Gebetspausen. Eine der Seitentüren stand offen, und ein schwacher Zigarettenrauchfaden wehte herein. Fuad saß im Büro am Computer und tippte. Als er Osama erblickte, nickte er nervös und stand auf, um ihn zu begrüßen, doch dann bemerkte er Katya, und seine Miene verfinsterte sich.
    »Inspektor«, sagte er, nachdem er zu ihnen ins Atelier gekommen war, neigte leicht den Kopf und blickte nach unten auf den Boden. Katya nahm er gar nicht zur Kenntnis. »Bitte kommen Sie herein. Möchten Sie eine Tasse Tee?«
    »Danke, nein.«
    »Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte Fuad.
    »Wir wollten eigentlich zu Herrn Nawar«, sagte Osama. »Störe ich bei –« Just in dem Moment öffnete sich eine Tür in der Wand, und Abdulrahman trat aus einem Raum, der offenbar als Badezimmer genutzt wurde. Er trocknete sich die Hände an einem Handtuch, und so frisch gewaschen, wie sein Gesicht und seine Unterarme aussahen, hatte er wohl gerade seine Waschungen verrichtet.
    Mit erstaunlicher Reaktionsschnelle trat Fuad vor Katya und versperrte ihr die Sicht auf Abdulrahman. Laut sagte er: »Der Inspektor und seine Assistentin möchten Sie noch einmal sprechen.«
    Osama hatte zwei Gedanken auf einmal. Erstens, Fuad wusste nicht, dass Katya eine andere Frau war. Und zweitens, er war ihr gegenüber gar nicht feindselig gewesen, sondern lediglich nervös ob ihrer Anwesenheit, weil er wusste, dass sein Chef sich auf das Gebet vorbereitete und ihn der Anblick einer Frau vermutlich beleidigen oder »unrein« machen könnte. Osama beobachtete Abdulrahman aufmerksam. Wie religiös war der Mann denn nun? Würde er sich nach einem kurzen Blick auf Katyas Umhang genötigt fühlen, seine Waschungen noch einmal zu verrichten?
    Abulrahman stockte. Seine Augen huschten von Katyas Umhang vorwurfsvoll zu Fuads Gesicht, als wäre es dessen Schuld, dass eine Frau ins Atelier gekommen war. Dann wandte er sich Osama zu.
    »Inspektor?«, sagte er knapp. »Was führt Sie her?«
    »Wir haben noch ein paar Fragen an Sie«, sagte Osama ebenso unterkühlt.
    »Das hat ja wohl

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