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Totenverse (German Edition)

Totenverse (German Edition)

Titel: Totenverse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Ferraris
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Taxiunternehmens. Der Anschlussinhaber hat einen arabischen Namen. Die Nummer gehört einem gewissen Nayir Sharqi.«
    Katya wünschte, sie hätte ihren Neqab vor dem Gesicht gehabt, denn es reagierte, ehe sie es verhindern konnte. Osamas Augen verengten sich. »Ich dachte, dass Sie vielleicht …«
    »Ja«, sagte sie abrupt. »Ich kenne ihn.«
    Osama schien etwas Unwirsches sagen zu wollen, aber er wartete.
    »Ich werde ihn sofort anrufen«, sagte sie, »und mich erkundigen, ob er irgendwas weiß.«
    Osama gab ihr eine Visitenkarte. »Meine Nummer«, erklärte er. »Melden Sie sich, wenn Sie das geklärt haben.« Sie nahm die Karte verlegen entgegen und eilte nach oben in ihr Labor.

29
     
    Der Familienbereich in einem Schnellrestaurant der Imbisskette Al-Baik war zum Schutz gegen neugierige Blicke von undurchsichtigem Plastik umgeben. Nayir saß dort mit Miriam und versuchte, sie nicht beim Essen zu beobachten. So blass, wie sie ausgesehen hatte, als sie das SynTech-Gebäude verließen, hatte er sich einfach verpflichtet gefühlt, unterwegs anzuhalten und etwas zu essen zu besorgen, doch sie hatte in ihrer, wie er allmählich begriff, typischen Art darauf bestanden, mit ins Restaurant zu kommen. Kaum waren sie drinnen, beharrte sie darauf, sich an einen Tisch zu setzen, mit dem Argument, es wäre doch wohl besser, wenn sie im Restaurant mit Senfsoße herumkleckerte statt in seinem offensichtlich funkelnagelneuen Wagen. Er hätte gern erwidert, es würde ihn nicht stören, wenn sie im Auto kleckerte, und dass es obendrein sehr viel unschicklicher wäre, mit ihr an einem Tisch zu sitzen, noch dazu wo sie ihren Neqab hochgeschlagen hatte. Aber in Wahrheit wollte er tatsächlich keine Fettflecken im Wagen haben, und sie hätte ihren Neqab so oder so gehoben, um zu essen, und da war es besser, wenn sie das im abgeschirmten Familienbereich eines Restaurants tat.
    Nachdem sie Platz genommen hatten, war er zu seinem Erstaunen doch nicht zu nervös, um zu essen. Vor sechs Monaten wäre er in so einer Situation nicht dazu imstande gewesen, er hätte sich irgendwie herausgeredet. Er hätte an einem Imbiss angehalten, ihr einen Schawarma gekauft und sie im Auto essen lassen. Jetzt jedoch veränderte er sich, wie er angesichts von Miriams unverhülltem Gesicht erkannte, das ihn offen ansah. Er versuchte sich einzureden, dass er sich in Wirklichkeit gar nicht veränderte, sondern sich nur anders verhielt, weil sie Amerikanerin war und nicht wusste, wie man sich richtig benahm. An ihrem Verhalten war wirklich etwas, das es ihm leichter machte, mit ihr umzugehen wie mit einem Mann.
    Während er die ersten Bissen von seinem Hähnchen nahm, wanderten seine Gedanken zurück zu Katya und zu jenem Moment vor dem Präsidium, als er plötzlich ganz und gar von Entschlossenheit durchdrungen gewesen war und mit absoluter Sicherheit gewusst hatte, dass er mit ihr zusammen sein wollte, komme, was wolle. Leider hatte die Entschlossenheit sich nicht gehalten. Wie auch? Er würde sein Leben vollkommen auseinandernehmen und neu zusammensetzen müssen. Jeder Schritt, der ihn Katya näher brachte, führte ihn auch näher an seine eigenen Schuldgefühle und Bedenken heran, an das Wissen, dass es vermessen und falsch war, die Regeln einfach den eigenen Bedürfnissen anzupassen. Nirgendwo im Koran stand: Wenn euch diese Gebote nicht in den Kram passen, dann setzt euch munter drüber hinweg . Und die Last seines Gewissens verdrängte allmählich sein Verlangen, mit Katya zusammen zu sein. Es war genau wie letztes Mal, ehe der Kontakt zwischen ihnen schließlich abbrach.
    Und dennoch saß er jetzt hier in einem Al-Baik mit einer Frau am Tisch, die na-mehram war, und fühlte sich regelrecht entspannt.
    »Es war nicht immer so«, sagte Miriam bemüht munter. Sie öffnete ihre Imbisspackung und machte sich über ihr Hähnchen her. »Ich meine, zwischen Eric und mir. Früher hat er mir alles erzählt. Wir waren echte Partner. Aber seit wir hier sind …« Sie gestikulierte mit einem Hähnchenschenkel in der Luft, als wäre der zweite Teil des Satzes selbstverständlich. »Das schmeckt richtig gut«, sagte sie und deutete auf ihr Essen.
    Nayir fragte, ohne nachzudenken: »Was hat sich geändert, seit Sie hier sind?«
    »Na ja«, sie lachte leise und betrachtete ihn dann, als überlegte sie, wie viel sie ihm erzählen sollte. »Er hat sich in dieses Land verliebt. Da ist ja auch nichts dagegen einzuwenden, aber dann hat er sich mehr und mehr in einen

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