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Totenverse (German Edition)

Totenverse (German Edition)

Titel: Totenverse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Ferraris
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in die Gegenwart.
    »Was?«, fragte er leicht bestürzt. »Wo soll ich nachfragen?«
    Samir verdrehte die Augen. »Bei der Rechtsmedizin. Ich hab gesagt, ich fände es nett, wenn du dich ein bisschen umhörst. Du kennst doch Leute da.«
    »Gar nicht wahr.«
    »Willst du mir weismachen, du kannst im Alleingang einen Mord aufklären, aber bist nicht in der Lage, dich mir zuliebe nach einem alten Freund der Familie zu erkundigen?«
    Nayir war entgeistert. Er hatte den Mord an Nouf nicht allein aufgeklärt, sondern mit Katyas Hilfe. Und eigentlich hatte er sich zuerst gar nicht auf die Sache einlassen wollen. Er war ein einfacher Wüstenführer und hatte nur ein paar Nachforschungen angestellt, weil sein Freund Othman ihn darum gebeten hatte.
    »Das mit den Shrawis«, versuchte er seinem Onkel begreiflich zu machen, »war etwas völlig anderes.«
    »Aber es liegt dir am Herzen, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird, das weiß ich. Und wie du bewiesen hast, bist du bereit, dich dafür einzusetzen, sogar dafür zu kämpfen. So was ist wahrhaftig selten. Und jetzt führst du dich auf, als –«
    »Das ist nicht selten«, blaffte er mühsam beherrscht. »Es gibt Menschen, die tun das tagtäglich.«
    Samir biss würdevoll von seinem Brot ab. Er kaute bedächtig, während er Nayir beobachtete, und sagte dann: »Ich bin sehr stolz auf das, was du getan hast.«
    Nayir, der aus einem ganzen Wust von Gründen, über die er lieber nicht nachdachte, kurz davor war, aus der Haut zu fahren, verschlug es prompt die Sprache. So etwas hatte sein Onkel noch nie zu ihm gesagt, zumindest nicht so direkt, und obwohl seine Worte auf wütende Ohren gestoßen waren, minderte das nicht ihre Bedeutung.
    Nayir stand abrupt auf, um den Wasserkrug zu füllen, und ließ sich Zeit, ehe er an den Tisch zurückkehrte. Er hatte seinen Teller kaum angerührt, und jetzt sah der Klumpen Essen darauf widerlich aus.
    »Also gut, ich tu dir den Gefallen«, sagte Nayir barsch. »Ich werde mal in der Rechtsmedizin nachfragen.«
    Samir nickte zufrieden. Nayir fing an, den Tisch abzuräumen, nahm die Teller, auch den von Samir, und spülte sie ab. Er packte die Essensreste ein und stellte sie in den Kühlschrank, ehe sie verdarben. Bei 45 Grad Hitze wäre das schnell geschehen.
    »Du wirst immer dünner«, bemerkte Samir arglos hinter ihm. »Ehrlich, du bist bald nicht mehr wiederzuerkennen.«
    Nayir antwortete nicht, und das ließ Samir verstummen. Doch kurz darauf begleiteten Nayir diese Worte zur Tür hinaus bis in sein Auto, wo sie ihm unangenehm in den Ohren klangen.
    Die Corniche war ungewöhnlich leer. Man sah keine Familien am Strand picknicken oder die lange Promenade entlangschlendern. Es dämmerte zwar schon, aber es war noch immer gefährlich heiß, und die Luft war so dick, dass Nayir sogar das Gefühl hatte, sie würde seinen Jeep bremsen. Es hätte ihn kaum gewundert, wenn er beim Blick aus dem Fenster den Ozean vor Hitze hätte brodeln sehen.
    In seinem letzten Telefonat mit Katya hatte sie ihm erzählt, dass sie in ein anderes Ressort versetzt worden war, wo sie einen verantwortungsvolleren Aufgabenbereich haben würde. Sie würde fortan nicht mehr im Keller der Rechtsmedizin arbeiten, sondern in der kriminaltechnischen Abteilung des neuen Polizeigebäudes im Stadtzentrum. Dort war alles neu – die Geräte, die Büros, die gesamte technische Ausrüstung auf dem modernsten Stand. Nayir hatte es auf der Zunge gelegen zu fragen, ob auch die Einstellungen der dortigen Mitarbeiter neu waren, doch stattdessen kam er gleich zur Sache: »Wirst du da auch direkt mit Männern zusammenarbeiten?«
    Die Frage wurde mit Schweigen quittiert. »Ja«, sagte sie schließlich. »Ganz bestimmt.« Danach hatte sie unterkühlt geklungen, und der Rest des Gesprächs war hölzern verlaufen. Er hatte ein schlechtes Gewissen, aber es störte ihn wirklich, dass sie mit fremden Männern zusammenarbeitete. Andererseits, was maßte er sich an? Er war nicht ihr Ehemann oder Verlobter.
    Seitdem hatte sie nicht mehr angerufen. Er verstand, warum. Sie hatte sich damit abgefunden, dass er konservativ war, dass seine religiösen Überzeugungen ihn daran hinderten, sie so zu behandeln, wie sie behandelt werden wollte. Sie hatte ihn endlich aufgegeben. Zuerst hatte er es einfach hingenommen. Er war mit seinem Boot rausgefahren und hatte sich aufs Deck gelegt, um in den herrlichen Sternenhimmel zu starren. Er hätte Tage so verbringen können, übermannt von einer Trägheit

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