Totenverse (German Edition)
nach einem weiteren Steakmesser.
»Weg mit dem Messer!«, donnerten Nayir und Osama wie aus einem Munde.
Die Frau warf es und verfehlte die andere nur knapp. Osama nutzte die Gelegenheit, um vorzuspringen, die Handgelenke der Frau zu fassen und ihr die Handschellen anzulegen, die er von seinem Gürtel gezogen hatte. Nayir hatte keine andere Wahl, als die andere Frau aufzuhalten, die mit dem Messer in der Hand um den Tisch geschossen kam. Sie lief förmlich in Nayir hinein, und er konnte sie gerade noch packen, ehe sie ihm das Messer in den Arm gerammt hätte. Er verdrehte ihr die Hand, und das Messer fiel zu Boden, woraufhin sie kreischte und mit der freien Hand gegen seine Brust trommelte, bis er auch den Arm zu fassen bekam und sie gegen die Wand stieß, dass sie mit dem Gesicht an die kitschige Blümchentapete gepresst wurde.
Osama schob ihn beiseite und legte auch ihr Handschellen an. »Der Krankenwagen ist unterwegs«, sagte er. Dann kniete er sich neben die Frau auf dem Boden, die sich stöhnend bewegte. »Ganz ruhig«, sagte er zu ihr und legte ihr eine Hand auf den Rücken. »Der Arzt ist gleich da.«
» Bismillah, ar-rahman, ar-rahim .« Das Gebet kam Nayir halblaut über die Lippen. Die Zeit schien immer wieder zu stocken, und die Bilder um ihn herum klickten seltsam wie der Verschluss einer altmodischen Kamera. Osama, der das Baby aus dem Körbchen hob und es zu beruhigen versuchte. Eine der Frauen, die weinend auf die Knie fiel. Ein anderer Polizist, der den Raum betrat. Nayir kam wieder zur Besinnung und sah, dass er mitten in der Küche stand, den Oberarm einer Frau umklammert hielt und die andere scharf im Auge behielt. Sie kniete neben dem Kühlschrank, die Hände auf dem Rücken gefesselt, und starrte ihn blicklos an. Ihre Haare waren blutverklebt, und ein Auge war zugeschwollen.
Fünfzehn Minuten später verfrachteten sie die Frauen in eines der Einsatzfahrzeuge. Osama ging zu seinem Wagen und inspizierte eine stark blutende Schnittverletzung auf seinem Handrücken. Nayir folgte ihm.
Osama holte ein Handtuch aus dem Kofferraum und drückte es auf die Wunde. Nayir bemerkte, dass die Hände des Inspektors zitterten, aber das war wahrscheinlich die Folge der Adrenalinausschüttung. Osama musterte ihn forschend. »Einen Streit unter Frauen zu beenden ist haram , aber zuzulassen, dass Menschen sich gegenseitig umbringen, finde ich mindestens ebenso haram , Sie nicht auch?«
Nach kurzem Zögern sagte Nayir: »Sie haben recht.«
Osama nickte knapp. Seine Wut schien wie in Wellen von ihm abzustrahlen. Er nahm das Handtuch von der Wunde und sah, dass sie noch blutete. »Nun zu Mrs Walker.«
»Ich bringe Sie zu ihr«, sagte Nayir.
33
Miriam saß am Computer. Samir war im Bad, sie hörte oben das Wasser der Dusche rauschen. Einen Großteil des Morgens hatte sie vergeblich darauf verwandt, den Benutzernamen und das Passwort für die Speicherkarte zu erraten. Nayir hatte gesagt, er käme um acht Uhr, aber jetzt war schon Mittag, und er war noch immer nicht da. Sie hatte zigmal versucht, ihn auf seinem Handy zu erreichen, aber ohne Erfolg, weshalb sie in Verbindung mit ihrem Computerfrust in einer Stimmung war, in der sie hätte schreien können.
Als ihr Handy endlich klingelte, ging sie sofort ran. »Wo sind Sie?«, fragte sie. Aber es war nicht Nayir, es war Jacob.
»Miriam«, sagte er und klang äußerst nervös. »Wo bist du?«
»Jacob?«
»Bist du zu Hause?«
»Nein. Jacob, was ist denn los?«
»Verdammt noch mal, Miriam, nun sag schon, wo du steckst.«
»Ich bin bei einem Bekannten«, sagte sie ungehalten.
»Einem amerikanischen Bekannten?«
»Nein, Araber.«
»Okay, du musst da weg.«
»Wie bitte? Warum?«
»Hast du heute Morgen mal einen Blick in die Zeitung geworfen?«, fragte er.
»Ich …« Sie stand auf und ging zuerst in die Küche, dann ins Wohnzimmer. Anscheinend bekam Samir keine Tageszeitung. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und sie brachte nur mühsam die Worte heraus: »Was steht denn in der Zeitung?«
»Ein Artikel über eine Tote namens Leila«, sagte Jacob. »Darin wird angedeutet, dass Eric was damit zu tun hat.«
»Was?«, schrie sie. »Das steht in der Zeitung ?«
»Ja. Jetzt pass auf, du musst auf der Stelle zum Konsulat. Wenn die Polizei dermaßen von Erics Schuld überzeugt ist, dass sie das an die Presse durchsickern lässt, dann wirst du sie niemals vom Gegenteil überzeugen können. Spätestens morgen schäumt das ganze Land vor Wut auf
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