Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenverse (German Edition)

Totenverse (German Edition)

Titel: Totenverse (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Ferraris
Vom Netzwerk:
Fensterläden und eine angebaute Garage. Hier und da standen Kübel mit Zitronenbäumen, oder ein paar spärliche Jasminbüsche trotzten der Sonne, aber ansonsten war die Straße schmucklos.
    Sie parkten in der Einfahrt und sahen sogleich, dass das Haus zwei separate Eingänge hatte. Ein kleines Schild verkündete, dass der Eingang für Frauen um die Ecke lag.
    »Sie bleiben bei mir«, sagte Osama mit einer jähen Schroffheit in der Stimme, die Katya mutmaßen ließ, dass ihn das Vorhandensein von separaten Eingängen ärgerte.
    Eine Frau öffnete die Tür, ließ aber die Kette vorgelegt. Sie trug einen Neqab, und sie konnten bloß ein Auge sehen.
    »Polizei«, sagte Osama und zeigte seine Dienstmarke. »Wir müssen mit Faruha Abdel Ali sprechen.«
    »Worüber?«, fragte die Frau.
    »Eine Freundin von ihr wird vermisst«, teilte Osama sparsam mit. »Wir würden ihr gern ein paar Fragen stellen.« Er trat zur Seite, damit die Frau Katya sehen konnte, und das eine Auge weitete sich. »Ich habe eine Mitarbeiterin dabei«, sagte Osama, »die mit Fräulein Abdel Ali sprechen wird.«
    Die Frau musterte Katya von oben bis unten, betrachtete ihren Neqab, die ziemlich neue Abaya, den Hijab, die schlichten schwarzen Schuhe und zum Schluss Katyas Augen, die die Frau offenbar irgendwie beruhigten, denn sie hielt ihnen die Tür auf und sagte: »Ahlan wa’sahlahn.« Dann hastete sie vor ihnen her ins Haus und winkte sie mit einer ausladenden Bewegung in den Salon der Männer. »Bitte machen Sie es sich bequem«, sagte sie. »Das ist der majlis , der Salon der Frauen ist dort drüben.« Sie deutete auf die andere Seite des Flurs, ehe sie durch eine Tür verschwand.
    »Sie bleiben bei mir«, sagte Osama.
    Katya folgte ihm in den Salon und schaute sich um. Der Raum war sauber und elegant eingerichtet mit zwei cremefarbenen Sofas und dicken weißen Teppichen, auf denen leuchtend rote und orangene Läufer lagen. Außer einem kolossalen Fernseher fielen eine ebenso protzige Stereoanlage und ein großes CD-Regal ins Auge. Osama steuerte sofort auf das Regal zu und las die Titel auf den Rücken der CDs.
    Kurz darauf klopfte es an der Tür, und Katya machte auf. Die Frau stand im Flur, das Gesicht noch immer verschleiert.
    »Sie können jetzt mit meiner Tochter sprechen«, sagte sie und bedeutete Katya, ihr zu folgen. Katya sah sich noch kurz zu Osama um und bemerkte seinen bedrückten Gesichtsausdruck.
    Faruha wartete in ihrem Zimmer. Sie saß auf einem Stapel Bücher im Stuhl an ihrem Schreibtisch. Der Computer war eingeschaltet, doch sobald Katya hereinkam, verdunkelte sie den Bildschirm und drehte sich zu ihr um. Sie hatte Tinte am Daumen und fischte ein Kosmetiktuch aus einem mit Perlmutt besetzten Kleenex-Spender auf dem Tisch.
    Als sie aufstand und unbeholfen vom Stuhl rutschte, kippte der Bücherstapel beinahe um. Sie war eine sehr kleine Frau, schon fast zwergenhaft, und reichte Katya kaum bis zur Brust. Ihr Körper hatte das untersetzte, gedrungene Aussehen, das mit Kleinwüchsigkeit einhergeht. Offenbar stand Katya die Verblüffung ins Gesicht geschrieben, denn Faruha lächelte schief. »Ja«, sagte sie, »ich bin klein. Setzen Sie sich aufs Bett, dann ist der Größenunterschied nicht so dramatisch.« Sie schob etliche CDs und Bücher beiseite, um auf der zerknitterten Decke ein Plätzchen für Katya frei zu machen.
    »Vielen Dank«, sagte Katya. »Ich wollte nicht unhöflich sein.«
    »Mich starrt jeder an. Ich bin es gewohnt.« Faruha lehnte sich zurück gegen den Schreibtisch, verschränkte die Arme und betrachtete mürrisch ihren Gast. »Ich vermute, es geht um Leila.«
    Schlagartig bereute Katya, hergekommen zu sein. Vor lauter Begeisterung hatte sie völlig vergessen, dass Faruha vermutlich nichts vom Tod ihrer Freundin wusste und dass ihr die Aufgabe zufallen würde, ihr die Nachricht zu unterbreiten. Auf einmal begriff sie, warum Osama ihr so bedrückt nachgeschaut hatte.
    »Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen«, begann Katya. Faruha reagierte sofort. Ihre Arme schienen zu erstarren, und eine eigenartige Versteinerung erfasste den gesamten Körper. »Aber Leila ist tot.«
    Faruha löste sich ein wenig, und es sah aus, als kostete es sie Kraft, sich aus der Starre zu befreien. Mühsam kletterte sie wieder auf den Stuhl und ließ sich vorsichtig auf dem Stapel Bücher nieder, unter denen sich, wie Katya registrierte, auch ein Koran befand. Dort saß sie reglos und starrte zu Boden, aber Katya hatte den Eindruck,

Weitere Kostenlose Bücher