Totenwache - Thriller
Wasserflasche entwendet. Das heißt, ich habe jetzt von ihm eine DNS-Probe, Dr. Zohar. Und wenn das Genprofil in dem Blut, das ich aus den Mücken isoliert habe, mit seiner DNS übereinstimmt, kann ich beweisen, dass er in der Mordnacht in der Wohnung meines Freundes gewesen ist.«
Zohar klatschte erheitert in die Hände. »Dr. Polchak, ich bringe Ihnen außerordentliche Bewunderung und Hochachtung entgegen. Aber analysieren wir doch mal, was Sie mir da gerade erzählt haben. Sie sagen, Sie können beweisen, dass Mr. Santangelo an dem letzten Abend Ihres Freundes in dessen Wohnung war. Aber warum sollte er denn auch
nicht dort gewesen sein? Schließlich haben Sie drei in ein Ermittlungsverfahren des FBI eingegriffen, und Santangelo stand doch ohnehin längst mit Ihrer kleinen Gruppe in Verbindung. Und was sagen diese Mücken denn schon darüber aus, ob Mr. Santangelo vor oder nach dem Ableben Ihres Freundes dort gewesen ist?«
Nick schwieg.
»Ja, das scheint mir ein wichtiger Punkt zu sein. Und dann noch etwas: Haben Sie bedacht, dass in den Mücken ebenso gut die DNS weiterer Personen - etwa Ihrer Freundin Dr. McKay - nachweisbar sein könnte; oder sogar Ihre eigene? Ob Sie da nicht vielleicht sogar selbst in Verdacht geraten?«
Nick war völlig unfähig, auch nur einen klaren Gedanken fassen. Sein Kopf war wie leer gefegt. Zohars Worte hallten in seinem Schädel nach wie Schüsse.
Dann sah Zohar vor sich auf den Teller und hob das Besteck. »An Ihrer Stelle würde ich mir nicht so viele Gedanken über Mr. Santangelo machen, sondern eher über Dr. McKay. Denn sie hat nicht mehr lange zu leben, Dr. Polchak. Und daran lässt sich auch kaum etwas ändern - es sei denn, wir unternehmen etwas dagegen.«
Nick stand langsam vom Tisch auf und spürte, wie seine Beine zitterten. Er sah Zohar an. »Noch eine Frage: Was ist mit Sarah McKay? Wie kommt es, dass Rileys Schwester Ihre Unwert -Kriterien erfüllt? Wieso haben Sie ausgerechnet sie als ›Spenderin‹ ausgewählt?«
Zohar bedachte ihn mit einem hämischen Blick. »Scheint so, als ob ich Sie doch ein wenig überschätzt hätte.«
Nick sah ihn verständnislos an. Dabei zuckten seine Augen ungestüm hin und her, wie die Glühwürmchen auf der Wiese hoch über Tarentum.
»Nun ja, wir könnten unsere Unterhaltung gewiss noch
stundenlang fortsetzen«, sagte Zohar. »Aber wie Sie sehen, wird mein Essen allmählich kalt. Im Übrigen haben Sie ja ohnehin zu tun: Schließlich müssen Sie Ihre Mücken betreuen …«
Nick drehte sich um und stolperte Richtung Ausgang.
42. Kapitel
Wieder schaute Nick auf die Uhr: kurz vor achtzehn Uhr. Zehn Minuten waren vergangen, seit er zuletzt nachgesehen hatte. Er verschränkte die Arme vor der Brust und ließ sich bedrückt in dem Chrom-Plastik-Stuhl nach hinten sinken. Das schwarze Brett auf der anderen Seite des Gangs war mit Institutsmitteilungen gespickt: Einschreibungsterminen, Stundenplänen und Dutzenden weiterer hausinterner Bekanntmachungen. Nick hatte jedes einzelne Blatt bereits x-fach gelesen.
Dann hörte er ein Geräusch und sprang auf. Ein Student kam um die Ecke und ging - mit einem aufgeschlagenen Vorlesungsverzeichnis vor sich - langsam den Gang entlang.
»Haben Sie zufällig Sanjay Patil gesehen?«, rief Nick dem jungen Mann zu.
»Wie bitte?«
»Dr. Sanjay Patil - Professor für Molekularbiologie hier am Institut.«
»Tut mir leid. Kenn ich nicht.«
»Aber Sie müssen doch zumindest den Namen kennen, selbst wenn Sie nicht in seinem Kurs sind. Haben Sie ihn heute schon gesehen? Ich muss unbedingt mit ihm sprechen.«
»Haben Sie es schon in seinem Büro versucht?«
Nick ließ sich wieder auf den Stuhl sinken. »In seinem Büro - Mann, darauf hätte ich auch von selbst kommen
können. Glänzende Idee. Und ich sitze hier stundenlang auf dem blöden Gang herum und hoffe, dass er zufällig vorbeikommt. Danke für den Tipp - sonst würde ich wahrscheinlich nächste Woche noch hier sitzen.«
Der Student wich seinem Blick aus und ging einfach weiter.
Nick sah auf die Uhr. Dann sprang er unvermittelt wieder auf; der Stuhl stürzte krachend hinter ihm zu Boden. Er ging zu einer Tür und versuchte sie zu öffnen - schon zum sechsten Mal. Doch auch jetzt musste er wieder feststellen, dass sie abgeschlossen war. Er legte die Hände seitlich an den Kopf und spähte durch die Scheibe in den dunklen Raum. In dem Labor gab es alles, was das Herz eines Molekularbiologen sich nur wünschen konnte: eine Ultrazentrifuge und
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