Totenwache - Thriller
Ich muss unbedingt wissen, ob die DNS in dem Speichel mit einer der Sequenzen übereinstimmt, die du in den Mücken nachgewiesen hast.«
Sanjay runzelte die Stirn. »Aber wir haben doch schon eine Übereinstimmung gefunden.«
»Was soll das heißen?«
»Der Behälter mit den Mücken, die du in Alkohol konserviert hast, war in einen Plastikbeutel eingewickelt, weißt du noch? Und du hast mir doch den Auftrag erteilt, nach DNS-Material zu suchen, das mit einer der vier Sequenzen identisch ist.«
»Ja, genau - mit dem DNS-Profil des Speichels hier an der Flasche.«
»Ach, ich dachte, dass du mir schon alle Proben gegeben hast. Wir haben nämlich eine Übereinstimmung gefunden.«
Nick war völlig verwirrt. »Eine Übereinstimmung - womit denn?«
Sanjay ging zu einem Arbeitstisch und zeigte auf einen Beutel. Dann streifte er sich Latexhandschuhe über, öffnete den Beutel und brachte ganz vorsichtig ein einzelnes blondes Haar zum Vorschein.
»Damit«, sagte er. »Wir haben in dem Beutel vier davon gefunden.«
Nick drehte sich um und rannte zur Tür hinaus.
43. Kapitel
»Du wirfst ja wie ein Mädchen«, sagte Sarah. »Pass mal auf.«
Dann schleuderte sie einen wallnussgroßen Stein gegen das Gebäude. Der Stein prallte nur wenige Zentimeter neben der einzigen noch intakten Fensterscheibe mit einem lauten Knall von der gerippten Metallverkleidung ab. Die beiden standen auf der Straße vor dem ehemaligen Mahlwerk. Früher einmal waren hier die mächtigen Anthrazitblöcke zerkleinert worden. Schon damals waren die meisten Scheiben kaputt gewesen, doch seit der Stilllegung der Grube und des Mahlwerks waren auch die restlichen Scheiben zu Bruch gegangen - bis auf diese eine. Sarah bückte sich, um meinen weiteren Stein aufzuheben.
»Ach, lass doch«, sagte Riley. »Wenn die Scheibe so viele Jahre unbeschädigt überstanden hat, sollte man sie jetzt nicht mutwillig zerstören.«
Die Dämmerung hatte eingesetzt. Die Sonne war hinter der Kohlehalde versunken, und auf der Straße war es bereits fast dunkel. Die beiden kamen auf dem Heimweg an den alten Baracken vorbei, in denen früher die allein stehenden Bergarbeiter gewohnt hatten. Gewiss war ihr Vater auf dem Weg zur Arbeit damals zehntausend Mal hier vorbeigekommen. Riley betrachtete die tief eingefrästen Radspuren und die Furchen in dem zerklüfteten Boden. Radspuren und Furchen - das typische Gesicht einer Bergbaustadt. Wen es einmal an einen dieser trostlosen Orte verschlagen hatte, für den gab es meist kein Entrinnen mehr.
»Weißt du noch, wie das war, wenn man früher im Sommer morgens aufgewacht ist«, sagte Sarah, »wenn man bei offenem Fenster geschlafen hatte? Dann war man ganz schwarz unter der Nase.«
Riley nickte.
»Und in der Spüle schwamm oben auf dem Wasser immer eine dünne Schicht Kohlestaub. Weißt du das noch?«
Riley sagte nichts, und Sarah runzelte die Stirn.
»Und kannst du dich auch noch an die Pumas erinnern, die nachts immer gekommen sind und sich die kleinen Kinder zum Frühstück geholt haben?«
Riley nickte, blieb dann unvermittelt stehen und fragte: »Welche Kinder?«
»Wo bist du eigentlich mit deinen Gedanken? Du hörst mir heute überhaupt nicht zu.«
»Ach, ich denke gerade über vieles nach.«
Sarah schüttelte den Kopf. »Du hast dir auch früher schon ständig Sorgen gemacht.«
»Das bleibt nicht aus, wenn man die Aufgaben einer großen Schwester zu erfüllen hat. Das ist ganz normal.«
»Nein, das ist nicht ganz normal, zumindest nicht bei einer großen Schwester - vielleicht noch bei einer Mutter . Aber du bist nun mal nicht meine Mutter.«
Riley hakte sich bei Sarah unter. »Darf ein Mädchen sich etwa nicht um seine kleine Schwester kümmern?«
»Natürlich. Aber ich bin schon lange nicht mehr klein. Ganz im Gegenteil: Wenn hier jemand Hilfe braucht, dann du.«
»Wieso ich?«
»Augenblick mal. Da war doch etwas? Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein: Hast du in letzter Zeit zufällig mal daran gedacht, dass du bald sterben musst? Ich habe das jedenfalls nicht vergessen.«
Riley machte sich von Sarah los. »Wie kommst du denn auf die Idee, dass ich sterben muss?«, erwiderte sie.
»Ach, jetzt hör schon auf, Riley. Hat sich die Uniklinik etwa je bei dir gemeldet?«
»Nein, das weißt du doch. Ich habe so gut wie keine Chance auf ein passendes Spenderorgan.«
»Und was gedenkst du dagegen zu tun?«
»Was kann ich denn dagegen tun? Wenn ich selbst etwas tun könnte, wäre ich doch nicht auf einer
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